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Frau, Ikone, Autorin

Michelle Obama hat ihre Autobiografie geschrieben – und wird in Stadien dafür gefeiert. „Michelle for President“ also? Nein, sagt sie

Von Dorothea Hahn

Viele First Ladies haben Bücher über ihre Zeit im Weißen Haus geschrieben. Viele davon sind Bestseller geworden. Aber Michelle Obama ist die Erste, die ihre Autobiografie wie ein Popstar präsentiert. Am Dienstag trat sie mit „Becoming – Meine Geschichte“ an die Öffentlichkeit. Sie tat es vor 14.000 Menschen, die ihr im Stadion ihrer Heimatstadt Chicago zujubelten. TV-Star Oprah Winfrey, eine Freundin der ehemaligen First Lady, führte durch den Abend. Und die Veranstalter verkauften T-Shirts und Mützen mit Michelle-Obama-Zitaten.

In den kommenden Wochen wird die Tournee in die Sportstadien neun weiterer Städte führen, darunter auch London und Paris. Die Tickets, zu Preisen zwischen 30 und mehreren Tausend Dollar, sind fast überall ausverkauft.

Michelle Obama war schon eine Ikone, als sie noch im Weißen Haus wohnte. Aber seither ist ihre Beliebtheit noch gewachsen. Sie und ihr Mann stehen jetzt für eine geradezu idyllische Zeit, die gefühlt extrem weit zurückliegt und nach der sich viele in den USA zurücksehnen: Im Weißen Haus saß eine intakte Familie. Der Präsident produzierte acht Jahre lang keinen Skandal und konzentrierte sich auf seine Arbeit. Und die First Lady nahm Anteil am Leben ihrer Landsleute, zeigte Präsenz und kümmerte sich um Jugendliche und Frauen.

Schon vor ihrem Auszug aus dem Weißen Haus machte Michelle Obama deutlich, wie wenig sie von Donald Trump hält. „Einer, der andere Menschen als verfressen bezeichnet, kann nicht Präsident sein“, sagte sie bei einem Wahlkampfauftritt für Hillary Clinton.

In ihrer Autobiografie kritisiert Obama Trump erneut. Besonders übel nimmt sie ihm die jahrelang dauernde Kampagne, in der Trump behauptete, Barack Obama sei nicht in den USA geboren und damit kein legitimer Präsident. Für Trump war es die Vorbereitung seiner eigenen Präsidentschaft. Für Michelle Obama war es ein Angriff. „Solche bösartigen Unterstellungen haben die Sicherheit meiner Familie gefährdet“, schreibt sie. „Das werde ich ihm nie vergeben.“

Nach der Wahlniederlage von Hillary Clinton im November 2016 begann bei den Demokraten die Suche nach neuer Hoffnung für das Weiße Haus. Hier und da ertönte der Ruf: „Michelle for President“. Die winkte ab und erklärte, dass sie dafür nicht zur Verfügung stehe. Die Fans glaubten es nicht. In „Becoming – Meine Geschichte“ wiederholt Obama es noch einmal ausdrücklich. „Ich habe keine Absicht, jemals zu kandidieren“, schreibt sie, „ich bin kein Fan von Politik.“

Iran, Syrien und selbst die Gesundheitsreform, das zentrale innenpolitische Projekt ihres Mannes, kommen bei Michelle Obama nur am Rande vor. Ihr Buch und ihre Auftritte in den Stadien handeln nicht von den politischen Ereignissen der ­Obama-Jahre. Stattdessen erzählt sie ihre persönliche Geschichte.

Mom-in-Chief

Es geht um den Aufstieg eines Mädchens aus einer schwarzen Arbeiterfamilie in Chicago, deren Eltern kein Geld, aber großen Ehrgeiz bei der Bildung ihrer Kinder haben. Michelle ist diszipliniert und fleißig, schafft es an die Eliteuniversitäten Princeton und Harvard, arbeitet in einer renommierten Anwaltskanzlei in Chicago. Jahre später akzeptiert sie widerstrebend das Drängen ihres Mannes in die Politik. Zugleich erzählt ­Obama in dem Buch von ihrer Beziehung. Dabei enthüllt sie auch, dass ihre Töchter Malia und Sasha nach künstlicher Befruchtung zur Welt kamen und dass das Ehepaar ­Obama in einer Krise einen Paartherapeuten besuchte. Sie habe damals Lektionen für ihr Leben gelernt: Wie sie damit umgeht, dass ihr Mann, Senator von Illinois, erst nachts nach Hause kommt und wegen wichtiger Abstimmungen Urlaube verschiebt. Sie lernt: Sie ist selbst verantwortlich für ihr Glück.

Als Michelle Obama ins Weiße Haus einzog, eilte ihr der Ruf voraus, eine „wütende schwarze Frau“ zu sein – ein Stereotyp, mit dem viele Afroamerikanerinnen konfrontiert sind. Sie musste sich zusätzlich anhören, sie sei keine Patriotin. Und immer wieder kamen hässliche rassistische Karikaturen in Umlauf. Eine FLOTUS – First Lady of the United States – hat keine offizielle Funktion, aber sie ist eine der am argwöhnischsten beobachteten Personen in Washington. Das galt in besonders starkem Maße für Michelle ­Obama, die erste afroamerikanische FLOTUS.

„Solche bösartigen Unterstellungen haben die Sicherheit meiner Familie gefährdet. Das werde ich ihm nie vergeben“

Michelle Obama über die Kampagne von Donald Trump, Barack Obama sei nicht in den Vereinigten Staaten geboren

Ihre Vorgängerinnen definierten ihre Rolle im Weißen Haus unterschiedlich. Die beiden Bush-Frauen gaben sich als Landesmütter, was Feministinnen missfiel; Hillary Clinton zeigte eigenen politischen Ehrgeiz, was bei Republikanern massive Kritik auslöste. Michelle Obama lernte von ihren Vorgängerinnen. Sie klammerte die Politik aus. Und trat einerseits als „Mom-in-Chief“ auf, die sich um verletzte Soldaten kümmerte, und konzentrierte sich andererseits auf Kampa­gnen zu gesunder Ernährung und den Kampf gegen Übergewicht. Die hochgebildete Juristin, die ihre eigene Karriere zugunsten ihres Mannes an den Nagel gehängt hatte, legte im Weißen Haus einen Gemüsegarten an, startete Koch-Kampagnen, animierte junge Leute mit „Let’s Move“ zum Tanzen und rappte darüber, dass es sich lohnt, aufs College zu gehen. Damit gewann sie an Sympathie und ging politischen Attacken aus dem Weg. Bei Linken, die den Präsidenten wegen der Ausweitung des Drohnenkriegs und der Inhaftierung von Whistleblowern kritisierten, galt sie als die progressivere Variante der beiden Obamas.

Michelle Obama hat bei vielen öffentlichen Auftritten gezeigt, dass sie ein feines politisches Gespür hat – sowohl bei demokratischen Parteitagen, wo sie ihren Mann als Kandidaten vorstellte, als auch jetzt während ihrer Buchtournee. Aber sie bleibt dabei: „Ich überlasse die Politik Barack.“

Auf dem Cover von „Becoming“ präsentiert sich Michelle Obama wie ein Hollywoodstar, mit bloßer Schulter, wie für einen Galaabend geschminkt. Und in ihrem Buch beschreibt sie ihr Leben als Abfolge von bislang drei Kapiteln – den Weg zu sich selbst, zu ihrer Beziehung und ins Weiße Haus.

Michelle Obama ist jetzt 54, ungebunden – ihre Töchter sind fast erwachsen und ihr Mann hat keine politischen Verpflichtungen mehr – und überlegt, was das nächste Kapitel in ihrem Leben sein wird.

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