heute in hamburg: „Am Ende wird dem Polizisten geglaubt“
Interview Marthe Ruddat
taz: Herr Krüger, wie groß ist das Problem Polizeigewalt in Deutschland?
Philipp Krüger: Es gibt ein großes Dunkelfeld, deshalb ist schwer zu sagen, wie groß das Problem wirklich ist. Thesen zur Kriminalität allgemein gehen davon aus, dass auf eine gemeldete Straftat zehn nicht gemeldete kommen.
Gibt es Bemühungen, das Dunkelfeld Polizeigewalt aufzudecken?
Seit dem 8. November läuft eine Studie der Ruhr Universität Bochum. Durch eine Onlinebefragung, an der Betroffene teilnehmen können, soll unter anderem aufgeklärt werden, wie groß die Zahl der Opfer von Polizeigewalt tatsächlich ist.
Was kann ich tun, wenn ich von Polizeigewalt betroffen bin?
Auch das ist sehr schwer zu sagen, weil sich einige Probleme ergeben.
Zum Beispiel?
Das beste Beispiel sind Gegenanzeigen durch die Polizeibeamten.
Im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel hat Hamburgs Innensenator Andi Grote gesagt, Gegenanzeigen seien eine Legende.
Das ist ganz sicher nicht so. Wenn jemand einen Polizisten anzeigt, kommt in der Regel auch eine Gegenanzeige. Deshalb warnen Rechtsanwälte auch davor, Strafanzeigen gegen Polizisten zu stellen. Ich persönlich würde Betroffenen raten, sich online unser Opfermerkblatt anzusehen. Da steht genau drauf, was man tun kann, worauf man achten sollte und wo Probleme lauern.
Radiofeature und Vortrag "Täter in Uniform – Polizeigewalt in Deutschland": 18.30 Uhr, Café Knallhart, Von-Melle-Park 9, Eintritt frei
Warum werden Polizist*Innen so selten wegen Körperverletzung im Amt verurteilt?
Innerhalb der Polizei herrscht ein gewisser Korpsgeist, da sagt man nicht gegeneinander aus. Hinzu kommt, dass Polizeibeamte bei Gericht einen sehr großen Vertrauensvorschuss genießen. Und wenn am Ende Aussage gegen Aussage steht, dann wird eher dem Polizisten geglaubt.
Was muss passieren, damit mehr Polizist*Innen für Straftaten belangt werden?
Wir haben Forderungen entwickelt, zum Beispiel die Kennzeichnungspflicht und die Videoüberwachung in allen Räumlichkeiten von Polizeistationen. Wichtig sind auch unabhängige Untersuchungseinrichtungen, damit nicht mehr Polizisten gegen Polizisten ermitteln. Diese könnten dann Empfehlungen geben, falls es Hinweise auf strukturelle Mängel gibt. Die Polizei würde davon auch profitieren.
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