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Stephanie Grimm hört auf den Sound der Stadt

Gleich am Donnerstag beehren zwei Punkveteranen unsere Stadt, die langsam zu ihrer wahren, grauen Laune finden. Gegen blue-sky-thinking wehrt sich Ian Svenonius standhaft – und mit großem Unterhaltungswert. Mit der Hardcore-Band Nation of Ulysses entwarf er 1991 ein „13-Point Program to Destroy America“ und wurde als „grea­test performer on the planet“ gefeiert. In den nächsten zweieinhalb Jahrzehnten setzte der Punk-Philosoph steile Thesen in die Welt und erprobte mit Bands wie The Make-Up oder Chain & The Gang deren praktischen Gehalt. Jetzt ist er mit dem Soloprojekt Escape-ism in Berlin. Unter diesem Alias brachte er im vergangenen Jahr ein Album mit melancholischen, ob ihrer Zugespitztheit schön eingängigen Songs heraus, zu erleben im Roten Salon (20 Uhr, Rosa-Luxemburg-Platz, 14 Euro).

Ebenfalls ein begnadeter Entertainer ist der in vielerlei Hinsicht grenzgängerische Avantgarde-Künstler Genesis P. Orridge mit seiner Band Psychic TV im Astra (20 Uhr, Revaler Str. 99, 35 Euro). 1982 aus der Combo Throbbing Gristle hervorgegangen, erweiterten Psychic TV den Industrial-Sound der Vorgängerband um Psychedelik- und Dance-Elemente.

Von den Industrial-Wurzeln der Einstürzenden Neubauten ist hingegen nicht mehr viel zu hören, zumindest nicht bei der Auftragsarbeit „Lament“, initiiert von der belgischen Stadt Diksmuide. Die Band führte das Werk vor vier Jahren anlässlich des 100. Jahrestages des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs erstmals auf, ein Album dazu gab es auch. Die Palette des Neubauten-Sounds – Stahl, Alltagsgegenstände und Blixa Bargelds knarrend-knarzender Stimme – ist um Streicher erweitert, die Anmutung bisweilen elegisch. Anlässlich der aktuellen Jahrestage ist das lohnenswerte Stück wieder zu erleben, von Freitag bis Sonntag im Pierre Boulez Saal (20 Uhr, Französische Straße 33 D, 15–85 Euro).

Am Sonntag gibt es Modern Jazz für die Spätgeborenen, die gerne mal Miles Davies erlebt hätten. Das hochgelobte Jazzquartett des stark von ihm beeinflussten Trompeters Avi­shai Cohen (nicht zu verwechseln mit dem Jazz-Bassisten gleichen Namens) spielt im Bi Nuu (21 Uhr, im U-Bahnhof Schlesisches Tor, 27,90 Euro).

Wer nach dem Staffel­finale von „Babylon Berlin“ unter Entzug leidet, könnte sich am Dienstag (ausverkauft) und Mittwoch das durch die Serie bekannt gewordene Moka Efti Orchester im Ballhaus Berlin (20.30 Uhr, Chausseestr. 102, 37,45 Euro) zu Gemüte führen. Benannt ist es übrigens nach dem seinerzeit hipsten Café und Tanzlokal der Stadt, wo das Partyvolk mit Sex, Drugs & Swing versorgt wurde.

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