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Ein vergessener Meister des Kinos

Das Filmerbe-Festival „Cinefest“ im Hamburger Metropolis ist in diesem Jahr dem Regisseur und Produzenten Joe May gewidmet

Von Wilfried Hippen

Nur ein paar der Filmschaffenden, die nach dem Ende der Weimarer Republik aus Deutschland fliehen mussten, sind heute noch bekannt: Fritz Lang, Billy Wilder, vielleicht noch Robert Siodmak. Joe May ist so gut wie vergessen. Dabei war er in den 1920er-Jahren in Deutschland mindestens so erfolgreich und populär wie die Erstgenannten. Fritz Lang und seine Drehbuchautorin Thea von Harbou entdeckte und förderte er, und Langs größter Erfolg der Nachkriegzeit, der Zweiteiler „Das indische Grabmal“, ist ein Remake von Joe Mays Stummfilmen aus dem Jahr 1921.

Der 100. Jahrestag der Gründung der Weimarer Republik ist für die Veranstalter des internationalen Festivals des deutschen Film-Erbes„Cinefest“, das zwischen dem 17. und 25. November im Hamburger Metropolis stattfindet, ein Anlass, sich Joe May zu widmen, der wie kein anderer das Weimarer Kino prägte.

Dass der Österreicher May 1911 in Hamburg durch seine Frau, die Operettendiva Mia May, zum Kino kam, darf hier natürlich nicht unerwähnt bleiben. Erfolgreich wurde er dann aber anschließend in Berlin, wo er ein eigenes Filmatelier hatte. Als Regisseur und Produzent hatte er eine gute Nase für den Publikumsgeschmack und so wurde er zum Pionier in damals noch jungen Filmgenres wie Detektivfilm und Melodram. Und May inszenierte aufwendige Großproduktionen wie die Kinofilmserie „Die Herrin der Welt“. Die Nazis vertrieben ihn und in den USA machte er zwar weiter Filme, konnte aber an seinen Erfolg nicht anschließen. May hätte gut in die Riege von alten Stummfilmstars gepasst, die Billy Wilder für die Dreharbeiten von „Sunset Boulevard“ noch einmal versammelte. 1954 starb Joe May in Hollywood.

Das Festival beginnt am Samstag mit der Stummfilmkomödie „Der Farmer aus Texas“, in der europäische Adelige auf Neureiche aus Amerika treffen. Mit viel Aktion und beeindruckenden Landschaftsaufnahmen war der Film aus dem Jahr 1925 ein internationaler Erfolg.

Einer der Höhepunkte des Programms ist der Stummfilm „Asphalt“ aus dem Jahr 1928, in dem es May gelang, das fiebrige Lebensgefühl Berlins in diesen Jahren einzufangen. Tom Tykwer und die anderen Macher von „Berlin Babylon“ dürften diesen Film genau studiert haben.

Auf dem Programm stehen nicht nur Filme, die May selber inszeniert hat, sondern auch Produktionen seines Studios wie der frühe Fritz-Lang-Film „Das Wandernde Bild“ sowie Remakes. So gibt es „Das indische Grabmal“ gleich in drei Versionen: Mays Original von 1921, ein Remake von Goebbels Nazikino aus dem Jahr 1938 und Fritz Langs Neuauflage von 1959.

Das Festival endet mit Joe Mays letzter Regiearbeit, der Komödie „Johnny Doesnt Live Here Anymore“ aus dem Jahr 1944. Die Organisatoren konnten „in letzter Minute“ noch eine spielbare Filmkopie auftreiben, und er wird so bald wohl kaum noch irgendwo anders gezeigt werden. So etwas lieben die Filmhistoriker und Cineasten, die zum „cinefest“ pilgern.

„Cinefest“: 17. bis 25. 11., Hamburg, Metropolis-Kino; Infos: www.cinefest.de

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