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Rein in den guten Stoff

Mainstream-Kleidung ist so billig, dass faire und vegane Produkte kaum mit diesem niedrigen Preisniveau konkurrieren können. Trotzdem steigt die Nachfrage

Am Webstuhl können auch pflanzliche Fasern wie Flachs verarbeitet werden Foto: Sebastian Willnow/imago

Von Alina Schwermer

Nerze, so recherchierte die Tierschutz-Organistaion Peta, werden für ihre Pelze oft vergast. Füchse und Marder sterben laut dem Vegetarierbund ProVeg vor allem durch Elektroschocks. Seidenraupen werden noch lebend mitsamt den Kokons in kochendes Wasser geworfen, während Krokodile und Schlangen oft nur aufgrund ihrer Haut getötet werden. Es gibt bekanntermaßen gute Gründe, sich an diesem Markt nicht zu beteiligen und sich ausschließlich oder vorwiegend vegan zu kleiden. Und zunehmend Rat­geber, das zu bewerkstelligen.

Für einen ersten Überblick hilft das Internet. Webseiten wie ProVeg.com von der gleichnamigen Interessenvertretung für Veganer und Vegetarier oder der von Peta erstellte Shopping-Guide veganemode.info listen Shops, Labels und Designer auf, die sich auf vegane Mode spezialisiert haben. Das sind zum Beispiel „BastiBasti“, „bleed clothing“, „Loveco“, „Recolution“, „Monkee Genes“, „Mud Jeans“, „Good Society“ und „Save the Duck“. Vegane Schuhe gibt es unter anderem bei „Avesu“, „Noah“, „Good Guys“, „Freivon“ und „Bourgeois Boheme“. Und vegane Taschen und Accessoires, letzter Teil der sehr unvollständigen Auflistung, finden sich etwa bei „Dear Goods“, „Wills London“, „Matt & Nat“, „Freedom of Animals“, „Wilby Clutch“ und „Le Shop Vegan“. Wer im gewöhnlichen Laden vegane Kleidung kaufen will, muss etwas mehr Aufwand betreiben.

„Direkt auf Kleidungsstücken sind derzeit nur in Einzelfällen Vegan-Kennzeichnungen zu finden“, berichten Sina Wittig und Sina Krüger für ProVeg. „Da hilft nur ein genauer Blick auf das Etikett.“ Enthält das Kleidungsstück Pelz, Echtleder, Seide oder Wolle, ist es definitiv nicht vegan. Peta listet außerdem Federn, Horn und Perlmutt als tierische Produkte oder Erzeugnisse. Vegane Alternativen für diese Materialien gibt es viele: Hanf, Viskose, Leinen, Sojaseide, Acryl, Polyester, Lyocell, Kunstpelz und Kunstleder zum Beispiel. „Enthält nichttextile Bestandteile tierischen Ursprungs“ ist das Stichwort auf Etiketten, das nicht vegane Kleidung markiert. Schuhe machen es den KäuferInnen schon leichter: Das Hauptmaterial muss deutlich als Symbol dargestellt werden. Bei Zweifeln im Kleider- oder Schuhgeschäft gilt das Bewährte: Wer fragt, dem kann geholfen werden.

Allerdings braucht es oft auch ein gut gefülltes Portemonnaie. Vegane Hosen kosten derzeit in vielen Shops über hundert Euro; konsequent vegane Kleidung muss man sich leisten können. „Dabei liegt es nicht an mangelnden technischen Möglichkeiten“, schreibt der Shop BastiBasti. „Alternativen wie Kunstleder oder Kunstpelze sind heutzutage höchst authentisch und hochwertig und dabei zum Teil kaum mehr vom tierischen Original zu unterscheiden.“ Vielmehr liege der Grund in „gewissenloser Massenproduktion“. Die Mainstream-Kleidung ist so billig, dass faire und vegane Produkte kaum auf dieses Niveau sinken können. Trotzdem wollen viele KonsumentInnen bewusst kaufen.

Ökologie ist bei veganer Kleidung allerdings nicht selbstverständlich

„Grundsätzlich ist das Interesse an veganer Mode zunehmend“, sagt Ben Irion vom Supermarché in Berlin, nach eigenen Angaben Berlins größter Fair-Trade-Laden. „Es gab eine Zeit lang einen ziemlichen Hype, ich habe das Gefühl, dass der abgeflaut ist. Aber dafür merken wir, dass die Leute jetzt relativ gut informiert sind.“ Der Supermarché bietet ökologische Fair-Trade-Kleidung und fair produzierte Wohnaccessoires auf derzeit hundert Quadratmeter Ladenfläche. 90 Prozent der Waren im Laden sind vegan; beim Eigenlabel Hirschkind sind es alle. Rund 50 ökofaire Marken führt Supermarché derzeit.

Das mit der Ökologie ist bei veganer Kleidung allerdings bei Weitem nicht selbstverständlich. Ersatzstoffe wie Acryl, Polyester, Kunstleder und Kunstpelz sind biologisch nicht abbaubar. ProVeg kritisiert, dass bei jedem Waschgang dieser Materialien Mikroplastik ins Abwasser gerät. Und Materialien wie Sojaseide sind ein Nebenprodukt riesiger Monokulturen, die in Südamerika den Regenwald zerstören. Wer vegan und öko kaufen möchte, muss daher doppelt genau hinschauen. Irion empfiehlt: „Bei Kleidung sollte man darauf achten, dass es sich um hundert Prozent Bio-Baumwolle handelt. Außerdem gibt es verschiedene Kunstfasern wie Lyocell, wo die Chemikalien zu fast hundert Prozent wiederverwertet werden.“ Auch Siegel wie Fairtrade und GOTS helfen. Bei Schuhen sei es problematischer. „Da ist vieles aus Kunst­leder. Aber der Oberbekleidungsbereich ist sehr gut abgedeckt.“ Weitere biologisch abbaubare Naturfasern sind etwa Hanf, Kork und Leinen.

Auch live und in Farbe gibt es zunehmend mehr Möglichkeiten, sich über vegane Mode zu informieren. Die Fashion Revolution Week zum Beispiel, die das nächste Mal im April 2019 stattfindet. Auch auf der Fairen Woche jährlich im September sind Anbieter veganer, fairer Kleidung vertreten. Die Messe VeggieWorld, die bundesweit größte und älteste Publikumsmesse für veganen Lebensstil, stellt auch vegane Mode vor. Im Februar 2019 kommt sie nach Wiesbaden, im März 2019 nach Hamburg und Berlin. Auf der Fashion Week in Berlin gibt es den Greenshowroom und die Ethical Fashion Show, wo sich bekannte und aufstrebende vegane Modelabels präsentieren. Zwei junge Magazine für vegane Mode sind Vegan Good Life und Noveaux. Eine breitere Themenpalette decken die Magazine VeganLive, Das Vegan Magazin und Think Vegan ab.

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