Anna Klöpper freut sich über die Wünsche der Kotti-Kinder an ihr Zuhause: Fliegende Einhörner am Kotti
Der Kotti ist ein ausgesprochen freundlicher Ort an diesem Mittwochvormittag. Die Sonne scheint auf die bunte Prozession der FünftklässlerInnen der Jens-Nydahl-Schule, die von der Kohlfurter Straße aus in Richtung Hochbahntrasse läuft. Frauen mit Kopftuch beklatschen die kleine Kinderdemo, die Obdachlosen und Junkies sind so früh noch nicht auf ihren Posten. Die Schüler halten Pappschilder hoch, auf einem steht: „Wir wünschen uns, dass ihr den Kotti besser behandelt!“ Auf einem anderen leuchtet ein schlichtes „5b loves Kotti“.
Um die Wünsche der Kinder an ihren Heimatkiez (und ihren Protest dagegen, dass die Öffentlichkeit ihn oft so negativ beschreibt) ging es auch bei der Aktion „Wir sind der (Kinder) Kotti!“. Zwei Monate lang hat die AnwohnerInneninitiative Kotti-Coop e. V. im Kunstunterricht der 5b mit den Kindern überlegt, was ihnen im Kiez fehlt. Das sollten sie zeichnen. Eine Auswahl der Bilder befindet sich nun, vergrößert und als wetterfester Druck, oben an der Außenseite des U-Bahnhofs.
Was da nun hängt, ist eine anrührende Mischung aus Pragmatismus und kindlicher Poesie: Da ist Emirhan, der eine U-Bahn mit Raketenantrieb gemalt hat. Nijithaa wünscht sich einen Bonbonbrunnen, viele Kinder wünschen sich ein Kino am Kotti, Eisläden sowieso, und ganz ernsthaft mehr Grün und mehr Blumen und mehr Spielplätze. Fidä wünscht sich fliegende Einhörner, „weil Einhörner sehr schön sind“.
„Wir wollen“, sagt Akin Parluk, der Lehrer der 5b, „mit dieser Aktion dem negativen Image des Kotti etwas entgegensetzten.“ Denn eigentlich, sagt Parluk und schlägt auf seine Handtrommel, „ist das hier doch ein super Ort.“ Ein Ort, an dem alle abhängen, die Vielfalt hier – dagegen sei Mitte zum Beispiel doch echt tot.
Das ist natürlich eine Wahrheit über diesen Ort, aber es ist eben nur die halbe. Das weiß auch Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne), die an diesem Vormittag in der Nachhut der Demo läuft. „Natürlich sind die Herausforderungen hier massiv“, sagt Herrmann: die große Zahl der prekär lebenden Familien, die offene Drogenszene. Dann erzählt sie von einem noch in der Planung steckenden Projekt mit der Drogenhilfe Fixpunkt, das SozialarbeiterInnen zu den Drogenabhängigen und Trinkern am Kotti schicken will. Sie erzählt vom jüngsten Erfolg an der Mietenfront, dass die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag den MieterInnen des Neuen Kreuzberger Zentrums, des zentralen Gebäuderiegels am Kotti, künftig Mitspracherechte bei der Vermietungspolitik einräumt.
Man müsse eben immer wieder über die Regeln diskutieren, wie man an diesem Ort zusammenleben will, sagt Herrmann. Und man dürfe die Kinder dabei eben nicht vergessen, „die übersehen wir ja leider zu oft“.
Ein Schüler schnappt sich ein Mikrofon, bevor die Demo loszieht. Man solle endlich kleine Häuser für die Obdachlosen bauen, damit die sich nicht mehr an den vielen Glasscherben auf dem Boden verletzten, findet er. Doch, sie sind schon super, die Kotti-Kinder.
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