StadtgesprächIlona Eveleens aus Nairobi: Von Frauen für Frauen: In Kenia revolutioniert eine Taxi-App den Straßenverkehr. Männliche Fahrer fürchten die Konkurrenz
Die Taxi-App für Frauen war lange überfällig“, meint Ann Wanjiku. „Ich arbeite oft sehr spät, weil mein Chef auch lange arbeitet und mich braucht“, erzählt die Sekretärin, die für ein großes Unternehmen in der kenianischen Hauptstadt Nairobi arbeitet. „Ich bin dann müde und hasse es, noch Belästigungen abwehren zu müssen. Bei Taxifahrerinnen fühle ich mich sicher und entspannt.“
In ihrem schwarzen Hosenanzug wartet Wanjiku am Eingang eines hohen Gebäudes auf ihr Taxi und dessen Fahrerin. Der chaotische Stau von Nairobi zieht zäh an ihr vorbei, während es in den Straßen der Stadt rasch dunkel wird. In der Abenddämmerung fühlen sich viele Frauen in Nairobi unsicher. Im vergangenen Jahr war die Kriminalität im Vergleich zum Vorjahr um eintausend Fälle gestiegen. „Wenn es dunkel ist“, sagt Wanjiku, „ist es besser, zu Hause oder zumindest nicht allein auf der Straße unterwegs zu sein.“
Die Wahrscheinlichkeit, im Bus oder Taxi belästigt zu werden, ist hoch. Busfahrer schieben Frauen oft mit der Hand auf ihrem Hintern durch den Bus. Taxifahrer erlauben sich vermeintliche Freiheiten gegenüber ihren weiblichen Fahrgästen, vor allem wenn die Frauen abends allein unterwegs sind.
Seit Kurzem gibt es nun An-Nisa, eine Handy-App für Taxis, die sich speziell an Frauen und Kinder richtet. Hinter dem Steuer sitzen ausschließlich Fahrerinnen – daher der arabische Name, der übersetzt schlicht „Die Frauen“ bedeutet. An-Nisa steckt noch in den Kinderschuhen, die App gibt es erst seit September. Trotzdem ist sie innerhalb eines Monats bereits tausendmal heruntergeladen worden. Hunderte Fahrerinnen haben sich angemeldet.
„Es sind vor allem allein reisende Frauen oder Mütter mit Kindern aus der Mittelklasse, die sich ein Taxi leisten können“, erzählt Mehnaz Sarwar, die Initiatorin und Inhaberin von An-Nisa. Der gläubigen Muslima, die den Nikab, den Gesichtsschleier trägt, geht es um Sicherheit, Schutz und Religion. „Warum müssen wir Frauen um unsere Sicherheit fürchten und immer darauf achten, dass in Taxis nicht die Kindersicherung aktiviert ist, damit wir im Notfall fliehen können?“
Nach Schätzungen der Wissenschaftlerin Cynthia Wangamati von der Universität Oslo haben 14 Prozent der kenianischen Frauen zwischen 15 und 49 Jahren mindestens einmal im Leben sexualisierte Gewalt erfahren müssen. Wahrscheinlich liegt die Zahl noch deutlich höher, da sich viele Opfer sexualisierter Gewalt schämen und es bevorzugen zu schweigen. Zudem nimmt die Polizei die Anzeigen der Frauen oft nicht ernst.
Die Vergewaltigung einer Frau durch einen Fahrer der Taxi-App Uber in Nairobi in diesem Jahr hat Taxinutzerinnen noch weiter verängstigt.
„Kundinnen setzen sich bei uns auch vorne in den Wagen statt auf die Rückbank. Sie fühlen sich nicht bedroht“, sagt Taxifahrerin Susan Cherono, während sie ihr Auto ruhig durch den Verkehr manövriert, in dem sich wild fahrende Matatus (Autobusse) und Mopedtaxis einen Dreck um die Verkehrsregeln scheren.
Die Taxifahrerin hat gerade ihr Diplom als Kinderpsychotherapeutin gemacht und arbeitet ein paar Stunden pro Woche in einem Kinderheim. Den Rest ihres Einkommens verdient sie als Fahrerin in Nairobi. „Es sind nicht nur die Kundinnen, die sich wohler fühlen“, sagt sie, „auch wir Fahrerinnen fühlen uns besser. Vor allem am Wochenende belästigen Kunden uns oft sexuell.“ Mehrmals habe sie schon an Tankstellen halten müssen, um ihre Kunden rauszuschmeißen.
Viele Männer in Nairobi sehen in An-Nisa vor allem Diskriminierung und Geschlechtertrennung oder halten die App schlichtweg für übertrieben. Die heftigste Kritik kommt von den männlichen Taxifahrern in der Stadt. „Sie beschimpfen uns“, erzählt Susan Cherono. „Die männlichen Kollegen haben nicht nur Angst vor der Konkurrenz, sie sind auch eifersüchtig. Die Firmen hinter anderen Taxi-Apps verlangen zwischen 15 und 25 Prozent vom Fahrpreis, An-Nisa will nur 10 Prozent. Die Fahrer wissen also, dass wir auch mehr verdienen“.
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