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Wie es mit Viggo weiterging

Bis in den Hochsommer war das Rotnackenwallaby aus Celle ein Medienthema. Jetzt hat die Wildtierstation Sachsenhagen es geschafft, das tierschutzwidrig gehaltene Känguru an einen Tierpark zu vermitteln

Von Calendal Klose

Viggos Medienkarriere ist beendet. Das Känguru, das im Sommer noch für Schlagzeilen gesorgt hatte, hopst mittlerweile unter anderem Namen in einem Tierpark – welcher, darf nicht verraten werden, damit der Rummel nicht von vorn losgeht. Nur, dass er ein angemessen großes Gehege hat, in dem das Tier sich als Teil „einer schönen Gruppe von Artgenossen“ fühlen kann, wie Florian Brandes erklärt.

Der promovierte Tierarzt ist Leiter der Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen, in der das Rotnackenwallaby nach der Beschlagnahme durch den Kreis Celle untergebracht worden war: Geboren in einem Tierpark bei Karlsruhe hatte es eine Familie im niedersächsischen Bergen mit der Flasche groß gezogen und dann als Haustier gehalten – in einem deutlich zu kleinen Garten und ganz ohne Kontakt zu Artgenossen. Dabei leben Wallabys in lockeren Gruppenverbänden, um die Gefahr durch Beutegreifer besser im Blick zu haben.

Europas wilde Kängurus

Auch dort, wo die Beuteltiere in Europa in freier Wildbahn leben – in Mecklenburg und, seit drei Generationen, im Wald von Rambouillet –, geht die Population auf Gruppenausbrüche oder Befreiungsaktionen zurück. Einzelgänger hingegen werden schnell geschnappt, so wie Anfang September das Känguru, das die Polizei in Helmerkamp gestellt hat, einem Flecken zwischen Gifhorn und Celle. Und wie Viggo selbst im Sommer 2017.

Damals war er zum ersten Mal in die Schlagzeilen geraten. Es hatte Reißaus genommen vor der Liebe Benjamin M.s und Sandra A.s, die sich von den Medien als „Ziehmutter“ des Kängurus bezeichnen ließ und es nach eigenen Angaben wie ein Familienmitglied behandelt hatten. Damals hatten Polizei und Kreisbehörden es in die beengten Verhältnisse zurückgeführt, denen es entkommen war. Aber das Veterinäramt schaute sich die Haltungsbedingungen genauer an. Denn so ein Ausbruchsversuch gilt als Hinweis darauf, dass etwas nicht okay ist.

Und während Benjamin M. darauf verwies, dass er sogar Känguru-Müsli zubereite und seine Kinder durchdrehen würden, wenn der Familie das Haustier entzogen würde, kam das Veterinäramt zu dem Schluss: Das Tier sei vernachlässigt worden. Erheblich. Und sein Verhalten zeige das. Etwa volle 50 Quadratmeter Fläche fehlten dem Familiengarten, damit die Haltung art- und bedürfnisgerecht wäre. Und nicht tierschutzwidrig.

Eine tierschutzwidrige Haltung zwingt die Behörde zum Eingreifen: Im März waren Auflagen gemacht worden. Im April hatten Gespräche stattgefunden. Ende Mai schließlich hatte das Veterinäramt das Känguru abholen lassen. Benjamin M. und Sandra A. versprachen zwar, schon einen Mietvertrag für ein neues Haus in Aussicht zu haben, der müsse nur noch unterzeichnet werden und dann werde alles gut, aber immer bloß Ankündigungen waren der Kreisverwaltung dann doch zu wenig. Zurecht, befand das Verwaltungsgericht: Der Familie sei „ausreichend Zeit eingeräumt“ worden, „die geforderten Maßnahmen umzusetzen“, entschied es am 24. Juli gegen zwei Eilanträge.

Komplett verwahrlost war das Rotnackenwallaby nicht, als es nach Sachsenhagen kam, stellt Tierarzt Brandes klar. „Es hatte ein wenig Übergewicht“, Folge falscher Ernährung und mangelnden Auslaufs. Die Weitervermittlung sei unproblematisch gewesen. Doch oft genug sei es schwierig, eine dauerhafte Bleibe für Exoten aus unsachgemäßer privater Haltung zu finden. „Wir sitzen hier auf etwa 300 davon“, so Brandes über einen problematischen Trend. „Natürlich sind das nicht alles Kängurus.“ Vor allem mit Reptilien habe man Mühe: „Wir haben hier allein 25 Kornnattern und etliche grüne Leguane.“ Die hat sich jemand irgendwann angeschafft. Jetzt will sie keiner mehr haben.

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