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heute in bremen„Das Mädchen Paquita gehört der Marquise“

Matthieu Svetchine, 1976 in Paris geboren, Schauspieler, ist nach Stationen in Dessau, Hamburg, Hannover und Berlin seit 2012 fest in Bremen. Dem Ensemble La Fleur gehört er seit dessen Gründung 2017 an.

Interview Benno Schirrmeister

taz: Herr Svetchine, gehören Sie fest zum neuen Ensemble La Fleur von Monika Gintersdorfer und Franck Edmond Yao?

Matthieu Svetchine: Mindestens für die ersten zwei Produktionen, also „Die neue Aristokratie“, die auf Honoré de Balzacs Novelle „Das Mädchen mit den Goldaugen“ basiert.

Das ist die, die heute Abend hier gezeigt wird. Und die zweite?

Das wird „Nana“, nach Émile Zolas Roman. An der arbeiten wir momentan, die wird Mitte Februar in Paris Premiere haben, und danach kommen wir damit hierher. Als das Ensemble gegründet werden sollte, hatte Monika mich eingeladen, dabei zu sein.

Waren Sie stolz?

Ob ich stolz war? Ich war total froh, in Paris zu arbeiten, das war das erste Mal in meiner Heimatstadt. Da zu spielen war toll. „Die neue Aristokratie“ ist ja eine Koproduktion mit vielen Partnern: Nach Paris waren wir damit bei den Wiener Festwochen, in Hamburg, in Düsseldorf, Münster, und jetzt ist Bremen dran.

Die Novelle erzählt die Geschichte einer Liebe mit Hindernissen …

Ja, aber sie fängt mit Balzacs Analyse der Klassengesellschaft an, die macht fast ein Drittel des Buchs aus. Und das war auch das erste, was uns interessiert hat: Was sind diese Klassen, gibt’s die noch, und wie lässt sich das aneignen, daher auch der Titel: Der kongolesische und ivorische Jet-Set behauptet sich in Paris selbst als eine neue Aristokratie, als diejenigen, die keine Angst haben, richtig zu feiern, zu leben: Was alle Klassen verbindet, sind das Gold und das Vergnügen, sagt Balzac …

Und Noblesse besteht darin, sich die Freiheit zum Vergnügen zu nehmen?

Wir haben uns gefragt, was stimmt davon heute noch, welche Rolle spielt das Geld und wie nah ist der ivorische Jet-Set dieser Vorstellung.

Das Mädchen ist auch bei Balzac durch eine Migrationsgeschichte markiert, sie ist Kubanerin und scheint einem spanischen Super­edelmann zu gehören …

„Die selbsternannte Aristokratie“, von La Fleur nach Honoré de Balzac, Theater Bremen, Kleines Haus, Premiere heute, 20 Uhr. Nur noch am 6. 10., 20 Uhr

… dem Marquis von San Réal, genau. Aber das Mädchen Paquita gehört in Wirklichkeit der Marquise: Das ist eine ziemlich düstere, erotische Novelle mit Kriminalhandlung, die auch Genderfragen aufwirft, weil Henri de Marsay, der junge Liebhaber, zu ihr nur als Frau verkleidet kommen kann.

Und den spielen Sie?

Nein, ich gar nicht. Auch haben wir verschiedene Henris, das ist schon auch ähnlich wie bei den früheren Produktionen von Gintersdorfer/Klaßen, dass auf diese Weise unterschiedliche Aspekte einer Figur beleuchtet und ihr Reflex in der eigenen Biografie der Darsteller*innen gesucht wird. Also: Es gibt Repräsentanzen von Figuren, aber nicht die eine Rolle.

Auch nicht die Erzählung?

Doch, die Geschichte kommt vor, sie wird erzählt – nicht nur, mit Lücken und Einschüben und direkt verbunden mit der Frage, wie Ex-Kolonisierte sie sich aneignen können. Aber sie ist sehr präsent.

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