: Erklärtermaßen Cineast
Dominik Graf war schon immer ein fordernder, suchender Regisseur. Das Bundesplatz Kino würdigt den Außenseiter nun mit einer kleinen Werkschau
Von Andreas Hartmann
Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders, das sind die Großen des jüngeren deutschen Films, Namen, die man auch im Ausland kennt. Der Regisseur Dominik Graf hat es nie geschafft, eine ähnliche Reputation zu erlangen. Vielleicht auch, weil er in seiner langen Karriere, die Ende der Siebziger begann, sehr viel für das Fernsehen arbeitete. Und deutsche Fernsehfilme sind in den USA oder Frankreich nicht unbedingt das, womit man Aufmerksamkeit erregt. Graf hat zig Grimme-Preise gewonnen, aber so etwas wie eine Goldene Palme, das fehlt ihm noch.
Ausgerechnet mit einem für ihn vermeintlich ziemlich atypischen Film, mit dem Kostümschinken „Geliebte Schwestern“ feierte er vor vier Jahren dann doch noch einen größeren internationalen Erfolg. Als „Beloved Sisters“ lief das freche Drama über Friedrich Schillers ménage à trois mit zwei Schwestern im Ausland und bekam äußerst wohlwollende Kritiken.
Eigentlich gilt Dominik Graf ja als Krimi-Mann. Zig „Tatorte“ hat er gedreht und Reißer wie „Die Katze“ mit Götz George. Genre, davon war er immer überzeugt, kann man auch in Deutschland. Er, erklärtermaßen Cineast, gab immer wieder seine Begeisterung für amerikanische Genre-Filme kund oder für die Kriminalfilme des Franzosen Jean Pierre Melville. Den Schmutz der Straße, den Mut zu Pulp, Ingredenzien aus film noir und Hardboiled-Geschichten, wollte er auch in seinem Kino zeigen. Für so manchen Verantwortlichen in den Fernsehanstalten war das oft zu viel. Und so wurde Dominik Graf zu einem, der tief im System Fernsehen verwurzelt ist, gleichzeitig aber nie aufhörte, mit ihm zu hadern und sich in eine Außenseiterposition zu bringen.
Die kleine Werkschau im Berliner Bundesplatz Kino, die sich bis zum 11. November dem Schaffen Grafs widmet und die zu einzelnen Vorführungen verschiedene Gäste geladen hat, zeigt nun, dass der Regisseur auch schon vor seinen „Geliebten Schwestern“ mehr konnte, als düstere Gangster-Streifen zu drehen. Etwa einen Film zu drehen wie „Der rote Kakadu“ aus dem Jahr 2006, mit Jessica Schwarz und Ronald Zehrfeld in Hauptrollen. Dieser ist ein deutsch-deutsches Drama, das in Dresden kurz vor dem Bau der Mauer spielt. Im Tanzlokal „Roter Kakadu“ ist die Welt noch in Ordnung, man tanzt, hört Jazz und verliebt sich, bis dann die reale Politik die Idylle jäh zerstört. Oder so etwas wie den Dokumentarfilm „Was heißt hier Ende?“ über den Filmkritiker Michael Althen, der im Jahr 2011 gestorben ist. Graf und Althen waren befreundet, beide waren sie leidenschaftliche Kino-Fans und der Filmemacher widmet dem Toten hier ein subtiles Porträt, das auch im Bundesplatz Kino zu sehen ist.
Dominik Graf war schon immer ein fordernder, suchender Regisseur. Der das Gefühl hat, im deutschen Kino- und Fernsehmief zu ersticken und der unbedingt endlich mal gehörig durchlüften möchte. So ist es auch kein Wunder, dass er in den Nullerjahren die vergleichsweise billige DV-Technik für sich entdeckte. Diese verlieh seinen Filmen noch mehr Unmittelbarkeit und Authentizität, wie man in seinem wunderbaren Zuhälter-Drama „Hotte im Paradies“ unschwer erkennen kann.
Graf ist nicht zuletzt auch ein streitbarer Mann des Films. Sein Tatort aus dem letzten Jahr etwa, „Der rote Schatten“, löste eine Kontroverse über den Umgang mit der RAF im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aus. Schon die reine Andeutung des Mythos, dass RAF-Terroristen in Stammheim auch ermordet worden sein könnten und nicht freiwillig aus dem Leben schieden, brachte ihm den Vorwurf der „RAF-Propaganda“ ein.
Aber auch ohne eigenes Zutun entfachte er eine Feuilleton-Debatte, als seine zehnteilige Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ vor acht Jahren im Fernsehen versendet wurde. Die Serie wurde von der Kritik hochgelobt. Endlich hatte man im deutschen Fernsehen eine vorzeigbare Serie, die mithalten konnte mit dem, was die Amerikaner in diesem Bereich fertigbrachten. Grafs Studie im Berliner Milieu der sogenannten Russenmafia galt als halbwegs authentisch und spannend war sie sowieso. Doch dann verschob die ARD Sendezeiten, weil die Quoten nicht den Erwartungen entsprachen. Und man fragte sich, wie das noch etwas werden soll mit den guten Serien aus diesem Land, wenn man diese eigentlich gar nicht wertschätzt. Im Bundesplatz Kino wird nun noch einmal an zwei Tagen hintereinander, zum Ende der Graf-Werkschau, die ganze Serie gezeigt. In dieses Vorhaben wird von der ARD dann sicherlich niemand reinpfuschen.
Dominik Graf Werkschau: bis 11. November im Bundesplatz Kino
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