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Andreas HartmannDurch die NachtMal wieder nach Tel Aviv!

Das ging schnell: Kaum hat sich Anfang des Monats die Gruppierung „DJs for Palestine“ gegründet, hallt das Echo auf diese Initiative schon durch die Berliner Clubkultur. Das Berliner Kollektiv Room 4 Resistance hätte eigentlich letzten Samstag eine Party im About Blank schmeißen sollen, tauchte dann aber kurz vorher auf der Unterstützerliste von DJs for Palestine auf. Das About Blank ließ daraufhin kurzerhand verlauten, bei ihm sei kein Platz für „strukturellen Antisemitismus“ und verzichtete auf die Dienste des Partykollektivs.

War ja eigentlich klar, musste ja so kommen, dass die DJs endlich auch mitmachen wollen bei der Boykottiererei Israels. Die Club- und Partyszene in Tel Aviv floriert, da gibt es gerade für DJs genug Möglichkeiten, sich mit großer Geste einfach mal explizit nicht einladen zu lassen.

Allerdings frage ich mich, warum sich die besorgten Plattenaufleger nicht ehrlicherweise „DJs against Israel“ genannt haben, was ihr eigentliches Anliegen doch um einiges konkreter beschreiben würde. Lustig finde ich auch, dass mit Room 4 Resistance ein Partykollektiv in den aufrechten Kampf gegen die Unterdrückung der Palästinenser einsteigt, das sich explizit als queer versteht. Eine der Welthauptstädte der Queerness ist schließlich Tel Aviv, während beispielsweise von der Hamas nicht unbedingt bekannt ist, dass sie sich besonders für schwul-lesbische Anliegen engagiert. Aber vielleicht ändert sich das ja jetzt und die Islamisten in Gaza rollen aus Solidarität mit ihren in Berlin so schlecht behandelten queeren Unterstützern die Regenbogenfarben aus.

Wohin soll das führen?

Dass das About Blank so entschieden gegenüber Room 4 Resistance reagiert hat, kann ich sehr wohl verstehen. Man möchte ein Zeichen setzen, Haltung zeigen, was nicht das Schlechteste ist in diesen Tagen. Allerdings weiß ich nicht, wohin das noch alles führen soll, wenn nun auf jeden Boykottierer mit einem Gegenboykott geantwortet wird. Diskutieren wir dann auch noch gelegentlich miteinander oder boykottieren wir uns lieber gleich gegenseitig?

Und was ist eigentlich mit all den frischgebackenen DJs for ­Palestine? Sind die jetzt über Nacht alle untragbar geworden? The Black Madonna, Four Tet und auch die in Berlin lebende Laurel Halo galten bislang ja als äußerst credible Musiker und DJs. Meines Wissens nach lag gegen sie bislang nie etwas Gravierendes vor, und jetzt sollen die allesamt Unterstützer eines „strukturellen Antisemitismus“ sein?

Und kann ich jetzt überhaupt noch beruhigt auf irgendeine Party gehen, ohne mir vorher angeschaut zu haben, wo die auflegenden DJs bei Facebook ihre Likes verteilt haben? Vielleicht sollte ich der Einfachheit halber mal wieder nach Israel fahren und in Tel Aviv clubben gehen. Dort, zumindest darin kann ich mir sicher sein, wird jedenfalls garantiert keiner dieser DJs for Palestine auflegen.

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