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Taugenichts und Träumer

Das Zeughauskino widmet sich in einer dreitägigen Retrospektive dem Werk des Dokumentarfilmers Peter Voigt. Poetische Kraft und Emotion fand der 2015 verstorbene Voigt in den Werken von Marx und Brecht

Von Carolin Weidner

„Der Außenseiter“ ist die Schau im Zeughauskino überschrieben, mit der man dem deutschen Dokumentarfilmer Peter Voigt näherkommen kann. Drei Abende sollen genügen, drei kürzere und drei längere Filme, um den 2015 verstorbenen Regisseur fassbar zu machen. Den Blick auf ein Werk freizugeben, das formal durchaus in die äußeren Regionen filmischer Erzählweisen vorzudringen suchte. Parallel öffnet aber auch das Peter-Voigt-Archiv in der Akademie der Künste, und es erscheint das von Günter Agde herausgegebene Buch „Filmarbeit. Peter Voigt mit Skizzen, Kritiken, Essays und Interviews“ im Verlag Neues Leben.

Dabei stand Peter Voigt gar nicht immer nur am Rande. Wie man in seinem autobiografischen Filmtext für „Der Zögling“ (1998) nachlesen kann, drang er, ganz im Gegenteil, in angesehene Zirkel vor. „Ein junger Taugenichts und ein Träumer. Dem Vaterhaus entlaufen, findet in die Theatergruppe eines weltberühmten Dichters. Unverhofft gelangt er in dessen direkte Nähe und private Sphäre. Wo er sich umtut. ­Saumselig und ohne jede ordentliche ­Ambition. Bis zum jähen Tod des Dichters. Jene 2,5 vertrödelten Jahre werden ihm zu den maßgeblichen. Jede Erinnerung daran eine Lektion. Lebensgültig.“

Der Dichter von Weltruhm ist Bertolt Brecht. Nur wenige Jahre vor dessen Tod findet sich der Voigt mit Anfang Zwanzig bei ihm ein und beginnt ihm zu assistieren. Als Anhimmelnder, als Jünger bekommt er von Brecht die Schlüssel zu Privatwohnungen zugesteckt und außerdem Einladungen für Sommerferien in Buckow, wo Helene Weigel für alle kocht. Trotzdem: „Du erinnerst dich an Gespräche, aber du warst natürlich nicht ein Gesprächspartner für ihn gewesen. Er ist dir mit Aufmerksamkeit begegnet, aber du warst nicht sein Umgang.“

Die Begegnung mit Brecht schlägt sich deutlich in Peter Voigts Filmschaffen nieder. In „Ich bin Ernst Busch“ (2000) werden die Texte Brechts immer wieder geschnitten. Nicht weiter verwunderlich, brachte Busch doch nicht wenige dieser mittels seiner Stimme zu Gehör. Es war auch Brecht, von dem Voigt beauftragt wurde, Skripte und eine Bücherwand zu ordnen; später fotografierte er dessen Nachlass ab.

Die Begegnung mit Brecht schlägt sich deutlich in Voigts Filmschaffen nieder

Im Film „Martha Lehmann“ (1972) erzählt Voigt von einer Schrankenwärterin im sächsischen Taucha, die regelmäßig auf kleine Stücken Papier das gerade Wichtige notierte. Daraus machte Voigt ein Mosaik der Nachkriegszeit, in der Lehmann als Kämpferin für den Sozialismus dargestellt wird. Ein unauffälliges Porträt einer Unauffälligen, die Voigt aber eben doch aufgefallen war.

Ebenfalls in der Provinz spielt „Der Ort, die Zeit, der Tod – Relikte deutscher Geschichte in der Gegenwart um den Tollense-See, Mecklenburg“ (1994). Es ist auch ein Klangfilm: südostasiatisches Instrumentarium schüttelt und klirrt über der Winterlandschaft; dann wieder, beim Blick auf den See, mutet es an, als sei man am Ufer des Ganges. Fast poetisch.

Obwohl Peter Voigt das wohl anders sehen würde. „Daß jemand beschließt, er wird sich in jedem Fall poetisierend betätigen, das gibt es nicht“, erklärte er einmal. Und weiter: „Als ich vorhin sagte ‚Poesie der Verhältnisse‘, meinte ich nicht etwa Idylle. Marx’ Entdeckung, daß die ausgebeutete Klasse, die niedrigste, sich einmal als die herrschende konstituieren würde, das hat für mich durchaus poetische Kraft und Emotion. Ein Politökonom sieht das sicher anders, ich mache Filme.“

„Der Außenseiter“, 26. 9., 27. 9. und 29. 9.:Zeughauskino im DHM, Unter den Linden 2

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