: Räumungsgrund Feuer und fehlende Geländer
NRW hat im Baurecht die Begründung für den Abriss der Baumhäuser im Hambacher Forst entdeckt
Die juristische Grundlage für die sofortige Räumung des Hambacher Forstes hat nichts mit Kohle zu tun. Sie wurde erst kürzlich vom nordrhein-westfälischen Bauministerium geschaffen. Aus einer Ortsbegehung der lokalen Bauämter vom 27. August ging ein Erlass hervor, der sämtliche vergleichbare Baumhäuser in Nordrhein-Westfalen als bauliche Anlagen wertet. Damit wurde eine frühere Regelung von 2014 unwirksam, die Baumhäuser explizit nicht als Wohnraum definierte.
Der neue Erlass schaffte die Rechtsgrundlage für die Räumung. Am Mittwoch ging eine Anweisung an die lokalen Behörden in Düren und Kerpen. Als Wohnraum seien die Baumhäuser im Sinne des Baurechts zwar besonders geschützt. Es fehlten jedoch Rettungstreppen und Geländer, und vor allem sei der Brandschutz nicht gewährleistet.
Die zuständigen Kommunen wurden deswegen vom Ministerium aufgefordert, die Baumhäuser räumen zu lassen. Um der Eigentümerin RWE das Entfernen der unsicheren Gebäude zu ermöglichen, baten die lokalen Baubehörden wiederum die Polizei um Vollzugshilfe.
Der Sprecher des Landesministeriums Robert Vornholt erklärte den Zeitpunkt der juristischen Neubewertung damit, dass der Behörde zuvor schlicht nicht bekannt gewesen sei, dass es sich um bauliche Anlagen mit entsprechender Infrastruktur handelt. Es habe nach früheren Räumungen eine zunächst geduldete Entwicklung gegeben: Mehr Baumhäuser, und immer größere. Dann habe man Hinweise bekommen, denen man verpflichtet sei nachzugehen – und zwar sofort. Die Gefahr für die Baumbewohner müsse in jedem Falle beseitigt werden. „Der Brandschutz hat absoluten Vorrang, wenn es um Leib und Leben der Betroffenen geht“, betonte dazu Jan Heinisch, Staatssekretär im NRW-Bauministerium. Dabei sei es unerheblich, ob die Menschen in den Baumhäusern geschützt werden wollen, erklärte die Pressestelle. Ob die Gefahr der Räumung die Brandgefahr überwiege, wisse man nicht. Man gehe davon aus, dass die Menschen freiwillig gehen. Falls dies nicht so sei, sei die Polizei zuständig.
Indes sind bei den Verwaltungsgerichten Köln und Aachen mehrere Eilanträge eingereicht worden, die die laufende Räumung stoppen sollen. Neben dem BUND klagten auch Privatpersonen. Diese beziehen sich auf Baurecht. Nach Angaben der Antikohle-Initiative Ende Gelände wollten sich zahlreiche Bewohner der Baumhäuser gerichtlich gegen die Räumung zur Wehr setzen.
Andrew Müller
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