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Schluss mit Pommes, Pasta, Pizza

Schulen und Kitas fordern mehr Zeit für eine Umstellung auf Bio-Essen. Problematisch sei es insbesondere dort, wo nicht selbst gekocht wird

Von Gareth Joswig

An der Oberschule Hermannsburg in Huchting gibt es schon 100 Prozent Bio. Sehr zum Leidwesen der Schüler, wie Lehrerin Corinna Goldmann berichtet: „Das Essen schmeckt den Kindern einfach nicht“, sagt sie. Die Schüler*innen der Oberschule bekommen Fertig-Essen vom Bio-Caterer, das vor Ort nur noch aufgewärmt wird. Gegessen wird aus Platzmangel in 20-Minuten-Schichten in einem Container, der kurzfristig eingerichtet wurde, nachdem ein Brand einen Teil der Schule beschädigte. Seit Jahren wartet die Oberschule auf einen Neubau – das Provisorium ist längst Dauerlösung.

Im Kleinen zeigt sich dort am hastig eingenommenen Grünkern-Bratling, wo es hakt in Bremen: Man will zwar schöne Dinge, aber unter schlechten Bedingungen sind Verbesserungen nur gut gemeint. Und so sprachen sich beim Aktionstag zu Bremens Schulverpflegung zwar die meisten Vertreter*innen von Schulen und Kitas zwar grundsätzlich für Bio-Essen aus, wünschten sich aber eine bessere Ausstattung und einen „sanfteren Übergang“, wie etwa Petra Stubakow von Kita Bremen bei der kontroversen Diskussion zur Zukunft von Bremens Schulverpflegung sagte.

Nach einem Beschluss im Februar 2018 will Bremen seine öffentliche Versorgung schrittweise auf Bio umstellen. An Kitas und Schulen soll es ab 2022 ausschließlich Bio-Essen geben und auch in Krankenhäusern soll weniger Billigfleisch auf den Teller kommen. Ab 2024 soll es dort zumindest 20 Prozent Bio-Produkte geben.

Allerdings läuft es nicht überall mit der Umstellung auf Bio-Essen in Kitas und Schulen so schlecht wie in Huchting. Andere Schulen, „auch in sozialen Brennpunkten“, sagt Michael Thun von der Vernetzungsstelle Schulverpflegung, nutzten auch ohne vorgeschriebene Quote heute schon regionale und gute Produkte.

Erhebungen im Auftrag der Stadt zeigen zudem, dass eine Umstellung durchaus weitreichende Bedeutung hätte: Im Schnitt werden jährlich acht Millionen warme Mahlzeiten und zwei Millionen Snacks von öffentlichen Versorgern ausgegeben – über 50 Millionen Euro kostet die gesamte öffentliche Verpflegung.

Dringend notwendige Voraussetzung für eine gelungene Umstellung auf Bio sei geschultes Personal, das im Idealfall selbst kocht. Wenn zudem künftig die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) eingehalten würden – weniger Fleisch, mehr Obst und Gemüse – würde eine Umstellung auf Bio nicht viel teurer, sagt Thun, der selbst Mathelehrer und gelernter Koch ist. Saisonale und regionale Produkte kosteten oft genauso viel wie Fleisch aus Massentierhaltung oder seien sogar günstiger. Für ein Umdenken bräuchte es aber umfassende Maßnahmen und den Willen von Schulleitungen, Köch*innen und Personal, möglicherweise eingeschliffene Abläufe neu zu gestalten.

„Es höchste Zeit, nur noch artgerechte und regionale Produkte zu essen“

Lasse Petersen, Schüler

Dass es in der Praxis schwer ist, das alles überein zu bekommen, räumt Thun ein: „Wenn es nach den Kindern geht, gäbe es täglich Pasta, Pizza und Pommes.“ Gleichzeitig machten „Öko-Eltern“ Caterern das Leben zur Hölle, wenn es zu wenig Gemüse gebe, und dann schrieben Vernetzungsstelle und Politik vor, dass der Speiseplan doch bitte den DGE-Richtlinien entsprechen müsse und es ab jetzt nur noch Bio gebe. Und günstig und lecker sein soll es auch noch – „ein großes Problemfeld, in dem Druck auf allen Beteiligten lastet“, so Thun. Nichtsdestotrotz sei das möglich, sagt er. Wenn das Lager leer ist, könne man damit allerdings schon nächste Woche anfangen, wenn man nur wolle.

Das sagt auch Irene Haverland von der Waldorfschule Bremen-Osterholz. Dort wird schon zu 80 Prozent mit Bio-Lebensmitteln gearbeitet – und die Kinder nehmen es gut an. Wichtig sei, dass Kollegium und Schulleitung mitziehen und schon Grundschulkinder über Ernährung aufgeklärt würden.

Zwei Schüler*innen, die zum Aktionstag gekommen sind, halten die Umstellung für wichtig: Die 17-jährigen Lara Pohl und Lasse Petersen von der Wilhelm-Olbers-Ganztagsschule in Hemelingen machen ihr Abitur-Projekt über die Bio-Umstellung an ihrer Schule: „Angesichts unseres ökologischen Fußabdrucks ist es höchste Zeit, nur noch artgerechte und regionale Produkte zu essen“, sagt Petersen. Und Pohl freut es, dass ihre Schule schon weit ist: „Bei uns gibt es sogar Eier vom Bauernhof gegenüber.“

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