press-schlag: Kein Ort für Gottin Deutschland
Die Bundesliga verliert den Anschluss. Sogar die Major League Soccer ist unterhaltsamer
Was für ein Tor! Gott höchstpersönlich hat es geschossen. Es sah so aus, als habe sich Zlatan Ibrahimovic etwas ganz Besonderes vorgenommen für das 500. Pflichtspieltor seiner Karriere. Mit einer Körperdrehung und einer Fußbewegung, die man für gewöhnlich eher im Taekwondo-Sport zu sehen bekommt, brachte er seinen Fuß an den Ball und kickte ihn ins Tor. Gott kann es also noch. Er zeigt sein Können in der Major League Soccer bei Los Angeles Galaxy. Genutzt hat seinem Klub das Tor nicht allzu viel. LA verlor mit 3:5 gegen den FC Toronto. Was für ein Ergebnis! Geile Liga muss das sein, diese MLS.
Und sie könnte bald noch geiler werden. Chicago Fire, der Klub, bei dem Deutschlands beliebtester 2014er, Bastian Schweinsteiger, seine Fertigkeiten abtrainieren darf, könnte bald von Peter Neururer trainiert werden. Der ehemalige Bundesligatrainer, der in Deutschland keine Anstellung mehr als Übungsleiter findet, hat dem Kicker bestätigt, dass man sich in Chicago für ihn interessiert. Während einer der begabtesten Sprücheklopfer der deutschen Fußballszene in der Heimat sein Talent dazu in drittklassigen Fußballtalkshows vergeuden muss, interessiert man sich in den USA für ihn als Trainer. Was für eine Liga!
In der MLS scheint nichts unmöglich. Gerade ist Gottes Klub LA Galaxy auf Trainersuche. Sigi Schmid hat hingeworfen, weil er es nicht geschafft hat, den Klub sicher in die Playoffs zu führen. Tut sich da eine Chance für die deutschen Trainer auf, für die in der Heimat die meisten nur noch Spott und Verachtung übrig haben. Einer wie Stefan Effenberg, dem man hierzulande gerade mal kleine Klubs, deren Stadien auf dem Parkplatz eines Möbelhauses errichtet wurden, zutraut, wäre nun wirklich einer für Hollywood.
Auch Mario Basler könnte sich ins Gespräch bringen. Der gilt in seiner Heimat gar nichts mehr. Der arme Kerl muss sich vor Gericht um eine Aufwandsentschädigung streiten, die ihm seiner Meinung nach für seine Arbeit bei Rot-Weiß Frankfurt zustehen würde, den er vor dem Abstieg in die Verbandsliga hätte retten sollen. Es geht um 5.000 Euro! So erbärmlich geht man in Deutschland mit den unterhaltsamsten Trainern um, hört sich stattdessen öde Taktiksprechstunden mit einem Domenico Tedesco an oder lässt sich von einem Pál Dárdai zu Tode langweilen.
Die Fußballunterhaltung in Deutschland ist so gut wie tot. Nicht einmal der Videobeweis, den man noch am ersten Spieltag so unterhaltsam eingesetzt hat, ist drei Wochen später der Rede wert. Wie unterhaltsam ist im Vergleich dazu die MLS!
In der könnte bald der argentinische Superduperstar Lionel Messi spielen. Der wird heftig umworben von David Beckham, dem englischen Exsuperduperfußballer, der in Miami gerade dabei ist, einen eigenen Klub aufzubauen. Inter Miami soll der mal heißen und 2020 in den Liga-Betrieb einsteigen. Antoine Griezmann soll auch schon Interesse an einem Job in den USA gezeigt haben. Die Bundesliga ist gerade dabei, den Anschluss an die Major League Soccer zu verlieren. Nach dem blamablen WM-Aus droht dem deutschen Fußball der nächste Absturz. Es ist ein Jammer.
Noch vor ein paar Jahren haben sich woanders ausrangierte Ex-Könner noch vorstellen können, ihren Karriereherbst in der Bundesliga zu verbringen. Vorbei! Kein Raul mehr, kein Ruud van Nistelroy. Das waren wenigstens noch Halbgötter. Gott selbst spielt sowieso in einer anderen Liga. Andreas Rüttenauer
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