: Wenn Patienten den Arzt nicht verstehen
Patientenfürsprecher versuchen, in Krankenhäusern als Mediatoren bei Problemen zu vermitteln. Sie arbeiten ehrenamtlich, unabhängig und unterliegen keinen Weisungen
Von Joachim Göres
„Warum müssen Ärzte am Krankenbett immer stehen und von oben herab mit uns sprechen?“ Diese Frage eines Patienten des Clementinenhauses, eines DRK-Krankenhauses in Hannover, ließ Hans-Jürgen Mahnkopf keine Ruhe. Als Anregung leitete er sie an die Ärzteschaft weiter. Einige Mediziner setzen sich seitdem bei der Kontaktaufnahme hin. „So gibt es mehr und bessere Gespräche zwischen Arzt und Patient“, sagt Mahnkopf, Patientenfürsprecher im Clementinenhaus. Seit 2016 ist jedes Krankenhaus in Niedersachsen verpflichtet, einen ehrenamtlich arbeitenden Patientenfürsprecher und einen Stellvertreter zu bestimmen. Sie sollen als unabhängige Ansprechpartner Anregungen, Kritik und Beschwerden von Patienten weiterleiten und bei Konflikten Lösungen suchen.
„Es geht ganz oft um mangelhafte Kommunikation und die ist meist Ergebnis von zu wenig Zeit. Das Pflegepersonal arbeitet an der Grenze der Belastbarkeit“, sagt Mahnkopf, der viele Hinweise von Krankenhausmitarbeitern über unhaltbare Zustände bekommt. Lange Wartezeiten trotz eines vereinbarten Termins, noch längere Wartezeiten und undurchsichtige Abläufe in der Notaufnahme, wenige Rückmeldungen nach einer Operation – Themen, die immer wieder an ihn herangetragen werden. Der Oberstaatsanwalt im Ruhestand versteht sich als Mediator und Anwalt des Patienten, der Beschwerden weitergibt und bei Bedarf die Konfliktparteien zusammenbringt. Für eine medizinische oder rechtliche Beratung ist er nicht zuständig. Jährlich hat er es mit 40 bis 50 Fällen zu tun.
Dazu gehört auch die Witwe, die sich ein halbes Jahr nach dem Tod ihres Mannes meldet und wissen will, woran ihr Mann genau gestorben sei. „Man muss mit den Leuten in Ruhe sprechen, dann klärt sich vieles und die Menschen fühlen sich ernst genommen“, sagt Mahnkopf, der im Clementinenhaus Akteneinsicht hat.
Krankenhäuser berufen die Patientenfürsprecher, dabei handelt es sich häufig um ehemalige Mitarbeiter. Dies wird von Experten kritisiert, da so keine Unabhängigkeit gewährleistet sei. „In Hamburg sind die Patientenfürsprecher bei den Krankenhäusern angestellt. Das ist problematisch“, sagt Mahnkopf. Hamburg gehört wie Bremen und Niedersachsen zu den Bundesländern, in denen Patientenfürsprecher laut Landesgesetz Pflicht sind. In Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sind sie nicht vorgeschrieben, doch auch hier gibt es etliche Krankenhäuser mit Patientenfürsprechern.
Mahnkopf fordert als stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes Patientenfürsprecher in Krankenhäusern bundesweit einheitliche Regelungen: „Es ist in Niedersachsen nicht klar, wie man durchsetzen kann, dass man vom Krankenhaus die nötigen Informationen bekommt. Außerdem braucht es bei Gerichtsverfahren ein Auskunftsverweigerungsrecht für Patientenfürsprecher.“
Eine Perspektive von außen
Birgit Plaschke ist Pflegedirektorin am Klinikum Oldenburg. Nach ihrer Erfahrung müssten ältere Menschen ermutigt werden, Kritik vorzubringen. Auch Menschen mit Migrationshintergrund beschwerten sich nur selten. Im Klinikum Oldenburg gibt es seit 2008 Patientenfürsprecher, die ein- bis zweimal im Jahr an den Stationsleiterkonferenzen teilnehmen. „Die Berichte der Patientenfürsprecher werden als sehr hilfreich angesehen, denn sie haben die Perspektive von außen auf unseren Betrieb“, sagt Plaschke.
Auch Ernst-Günther Mörsel, seit 35 Jahren Arzt am Allgemeinen Krankenhaus (AKH) Celle und lange auch der dortige Betriebsratsvorsitzender, hält den Patientenfürsprecher für sinnvoll. Sein Einfluss sei aber begrenzt. „Es gibt am AKH Celle jährlich Hunderte von Überlastungs- und Gefährdungsanzeigen durch die Beschäftigten, deren Zahl in der Vergangenheit weiter reduziert wurde. Will man etwas verbessern, muss einfach mehr Personal eingestellt werden. Das passiert seit Jahren am AKH Celle nicht mehr“, sagt Mörsel.
Außer den Patientenfürsprechern gibt es die Beschwerdestellen: Jedes Krankenhaus in Deutschland ist verpflichtet, so eine für Patienten einzurichten. Die dortigen Mitarbeiter sind beim Krankenhaus angestellt – während die Patientenfürsprecher unabhängig arbeiten und keinen Weisungen unterliegen.
Nach einer Studie des Bundesverbandes Beschwerdemanagement für Gesundheitseinrichtungen (BBfG) kritisierten Patienten 2016 vor allem organisatorische Abläufe (23 Prozent), Mängel an Ausstattung und Gebäuden (17 Prozent) und unzureichende Kommunikation (16 Prozent). Pro 100 Beschwerden wurden 28 Verbesserungsmaßnahmen veranlasst – ob sie wirksam sind, wird in 40 Prozent aller Krankenhäuser selten oder nie überprüft. Der BBfG-Vorsitzende Oliver Gondolatsch rät unzufriedenen Patienten: „Wenden Sie sich an die Mitarbeiter auf der Station. Wenn Sie dort nicht weiterkommen, schalten Sie das Beschwerdemanagement oder den Patientenfürsprecher ein.“ Er räumt ein: Auf diese Weise versuchten Kliniken, sich teure und langwierige Prozesse zu ersparen.
Mahnkopf hofft auf eine Änderung der Zivilprozessordnung – so könnte die Zahl der oft jahrelangen Verfahren vor Gericht wegen vermeintlicher oder tatsächlicher medizinischer Kunstfehler reduziert werden. „Vor einem solchen Verfahren sollte künftig eine Mediation zur Pflicht werden und Schlichtungsstellen eingeschaltet werden müssen“, sagt er. Derzeit bekämen Patienten in 30 Prozent aller Streitfälle vor einer Schlichtungsstelle Recht, die Haftpflichtversicherung zahle in solchen Fällen.
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