: Kameraauge für Eisenkonstruktionen
Wiederentdeckung: Dem von den Nazis verfemten Fotografen und Architekten Fritz Block ist eine schöne Ausstellung in Hamburg gewidmet
Von Wilfried Weinke
Erst im Frühjahr diesen Jahres fand das „Deutschlandhaus“ in Hamburg überregionales Medieninteresse. Der geplante Abriss des Gebäudes, das zu den wichtigsten Bauwerken der zwanziger Jahre zählte, wurde, auch ohne Alfred Lichtwarks Bonmot von der „Freien und Abrissstadt Hamburg“ zu bemühen, als ein die Stadtidentität zerstörender Skandal bezeichnet. Einer der Erbauer, der Architekt Fritz Block (1889–1955), kann nun in einer Fotoausstellung wiederentdeckt werden. Doch nicht als Architekt, sondern als Fotograf.
Gemeinsam mit seinem Partner Ernst Hochfeld hatte Fritz Block das „Deutschlandhaus“ entworfen, ein markanter innerstädtischer Gebäudekomplex mit Büros, Restaurants und dem damals größten Kinosaal Europas, dem „Ufa-Palast“. Bauausführung und -fortschritt, den Stahlskelettbau wie die Fassaden hielt Block in Fotografien fest. Der fotografierende Architekt, der als Autodidakt begann und dessen Aufnahmen zuweilen die letzte Brillanz fehlt, konnte schon damals seine reportagehaften Bildstrecken in der illustrierten Presse und Fachzeitschriften wie Die Form und Bauwelt veröffentlichten.
Weitere Motive stellten in den Augen Blocks die diversen Elbbrücken Hamburgs, die Industrie- und Werftanlagen des Hafens wie die Schwimmdocks von Blohm & Voss, Schornsteine von Dampfern ebenso wie die Takelage von Segelschiffen dar. Menschen verlor er dabei nicht aus dem Blick, seien es die Elbfischer in St. Pauli, die Kinder in Hagenbecks Zoo oder die Clowns des Zirkus Sarrasani.
Ein besonderes Sujet seines fotografischen Schaffens waren Röntgenaufnahmen von Schneckengehäusen (Conchylien), an denen Block die spezifische Ästhetik und Formenvielfalt der Natur bildlich einfangen und studieren konnte. Ein Interesse, das er mit anderen Architekten seiner Zeit, aber auch Fotografen der Neuen Sachlichkeit und des Neuen Sehens teilte.
Breiten Raum in der von dem Architektur- und Fotohistoriker Roland Jaeger kuratierten Schau und in der von ihm verfassten Monografie „Foto-Auge Fritz Block. Neue Fotografie. Moderne Farbdias“ nimmt dessen Stadt- und Reisefotografie vor 1933 ein. Reisen, die ihn nach Paris, nach Marseille, an die Côte d’Azur, nach Algerien und Tunesien führten. Natürlich faszinierten den Architekten und Fotografen der Eiffelturm ebenso wie der Pont Transbordeur, die Schwebefähre in Marseille, deren Eisenkonstruktionen Blochs Aufnahmen strukturierten. Er hielt aber auch Momente aus den Pariser Cafés, vom Großmarkt Les Halles und vom Strandleben an der Côte d’Azur fest. Circa 4.000 Aufnahmen entstanden allein während einer neunwöchigen Reise durch die USA, die Block 1931 unternahm. Mit zwei Leica-Kameras fotografierte Block das Häusermeer New Yorks, die Skyline Manhattans, den Broadway bei Nacht, das Empire State Building, wie andere Wolkenkratzer aufgenommen aus den Straßenschluchten der Metropole.
Die Schlachthöfe Chicagos
Auch die Ford-Fabrik in Detroit, das Schlachthofgelände in Chicago, Industrieanlagen in Los Angeles nahm er ins Bild. Seine Kleinbildkameras ermöglichten ihm zugleich auch Straßenszenen, Passanten und Kinder abzubilden und Porträts von Indianern in New Mexico zu machen. Auf Titelblättern und in doppelseitigen Reportagen der Kupfertiefdruckbeilagen des Hamburger Anzeigers, aber auch in Jahrbüchern zur Fotografie erschienen Blocks Fotografien. Zudem fanden sie Aufnahme in der „Internationalen Foto-Ausstellung“ vom Januar/Februar 1932 im Hamburger Kunstverein.
Schon im Jahr danach endete für Fritz Block die erfolgreiche Tätigkeit als Fotograf wie als Architekt. Im August 1933 setzten ihn die Deutschen Nachrichten, das „Organ der Deutschvölkischen Freiheitsbewegung“ im Gegensatz zu sogenannten deutschen Pressefotografen auf eine „Liste der Juden und Ausländer“; die Gleichschaltung der Presse durch die Nazis entzog Block die Möglichkeit, seine Fotografien zu veröffentlichen. Zwei Monate später erfolgte der Ausschluss aus dem Bund Deutscher Architekten. Eine im Frühsommer 1938 unternommene Weltreise per Schiff diente der Vorbereitung der Emigration; kurz nach der Pogromnacht vom November 1938 gelang es dem Ehepaar Block, in die USA zu fliehen.
Da er seine Arbeit als Architekt dort nicht ohne Weiteres fortsetzen konnte, wandte er sich mit 50 Jahren der Farbfotografie zu. Er bezeichnete sich als „color photographer“; unterstützt von seiner Frau versandte die „Dr. Block Color Productions“ Farbdia-Serien zu Architektur, Kunst, Skulptur, Design, Technik und Natur, von 1943 bis 1954. Eine wohl einmalige Leistung, insbesondere im Bereich der Exilfotografie!
All dies inklusive spannender Druckbelege präsentiert die Ausstellung ebenso wie die vorzüglich layoutete Monografie. Nicht zuletzt mit dem indirekten Verweis auf das 1929 von Franz Roh und Jan Tschichold herausgegebene Buch „Foto-Auge“ nobilitiert Roland Jaeger seinen Protagonisten zu einem Exponenten der Fotomoderne. Nur der hohe Preis für die reich illustrierte Publikation trübt etwas die Freude an der Wiederentdeckung des vertriebenen und vergessenen Fotografen Fritz Block.
„Foto-Auge Fritz Block. Der Architekt als Fotograf“. Handelskammer Hamburg, bis 30. November
Roland Jaeger: „Foto-Auge Fritz Block. Neue Fotografie – Moderne Farbdias“. Scheidegger & Spiess, Zürich 2018, 336 Seiten, 85 Euro
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen