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Ruhe im Musikbunker

Etliche MusikerInnen und Bands dürfen vorerst nicht in ihren Räumen in der Otzenstraße proben. Die zuständige Behörde bemängelt den Schallschutz

Miese Lage: Bands dürfen im Bunker vorerst nicht proben Foto: Miguel Ferraz

Von Marthe Ruddat

Seit knapp zwei Wochen tapezieren sechs Seiten Papier die Türen des Bunkers in der Otzenstraße in St. Pauli. In dem Gebäude befinden sich mehr als 40 Proberäume, die sich meist mehrere MusikerInnen teilen. Mit ihren Schreiben untersagt das Bezirksamt Hamburg-Mitte nun deren Nutzung bis auf Weiteres, weil aus Sicht der Behörde der Schallschutz nicht gewährleistet ist. Die Stilllegung betrifft schätzungsweise mehr als 100 Profi- und Hobby-MusikerInnen.

„Für manche Musiker ist das Nutzungsverbot existenzbedrohend“, sagt Maarten Thiele. Freitags probt er mit seiner Band im Bunker. Einen alternativen Übungsraum hat Thieles Band nicht. Die Gruppe legt eine Zwangspause ein, bis entschieden ist, ob und wie es in der Otzenstraße weitergeht.

Seit zehn Jahren proben MusikerInnen in dem Bunker. Mit der damaligen Nutzungsgenehmigung hat das Bezirksamt Hamburg-Mitte allerdings auch Auflagen erteilt. Demnach ist die Lüftungsanlage zu erneuern, um den Schallschutz und die ausreichende Belüftung der Räume zu gewährleisten, wie eine Sprecherin des Bezirks­amts sagt. Der ehemalige Eigentümer des Gebäudes ging gerichtlich gegen diese Auflage vor. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte 2016 aber die Notwendigkeit dieser Maßnahmen. Der entsprechende Beschluss ist rechtskräftig und damit auch für den neuen Besitzer gültig, der das Gebäude Anfang des Jahres kaufte.

Unbekannte Vorgaben

„Der exakte Umfang der Vorgaben durch die Stadt war dem Eigentümer beim Kauf des Objekts so nicht bekannt“, sagt Thomas Lahr. Er ist der Geschäftsführer der Firma Curata, die das Gebäude im Auftrag des Eigentümers verwaltet. „Die genauen Auflagen kennen wir seit Juli.“ Anwälte prüfen diese Angelegenheit, so Lahr.

Und der Bunker beschäftigt wieder einmal das Verwaltungsgericht. Ein Sprecher bestätigte, dass derzeit ein Eilverfahren laufe. Der Eigentümer will, dass das Nutzungsverbot aufgehoben wird. Noch ist nicht klar, wann eine Entscheidung fällt, eine Stellungnahme der Stadt Hamburg steht noch aus.

Das Bezirksamt begründet die plötzliche Stilllegung in ihrem Schreiben mit einer „konkreten Gefährdung für die Rechtsgüter Gesundheit und Leben“. Erneut habe es Beschwerden durch NachbarInnen gegeben. Von einer „erheblichen Beeinträchtigung der gesamten Nachbarschaft durch Lärm“ sei auszugehen.

„Es ist an uns herangetragen worden, dass es früher Lärmbeschwerden durch Anwohner gab“, sagt Lahr. „Seitdem der jetzige Eigentümer die Räume vermietet, haben wir jedoch von Lärmbeschwerden keine Kenntnis.“

Die MusikerInnen durften zwischen sieben und 12 Uhr und von 15 bis 22 Uhr im Bunker proben. Ein Wachdienst kontrollierte die Einhaltung der Ruhezeiten. Darüber hinaus sind die MusikerInnen per Mietvertrag dazu verpflichtet, die alten Lüftungsrohre während der Proben mit Sandsäcken zu verschließen, um eine Ruhestörung zu verhindern. Doch aus Sicht der Behörde reichen diese „provisorischen Maßnahmen“ nicht aus.

Thiele sagt, dass sich alle MusikerInnen an die Vorschriften gehalten hätten. Er selbst hatte noch keinen Kontakt mit genervten AnwohnerInnen. Nur einmal stand freitags plötzlich um 18.30 Uhr die Polizei im Bunker und nahm die Personalien der Probenden auf. Konsequenzen hatte der Einsatz nicht.

Zum Warten verdammt

Für Thiele ist die Stilllegung des Musikbunkers ein Politikum. In erster Linie sei zwar der Investor gefragt, die Auflagen zu erfüllen, „allerdings ist auch die Frage, was der Stadt Hamburg der Erhalt der Proberäume Wert ist“, so Thiele. Es gebe einen chronischen Mangel an Proberäumen. Die Stadt müsse deshalb Lösungen anbieten, die den Erhalt von Übungsräumen für MusikerInnen gewährleisten. „Die Bezeichnung Musikstadt ist eine Mogelpackung“, sagt Thiele.

Die MusikerInnen können aktuell nur abwarten. Sollten sie sich nicht an das Probeverbot halten, drohen Geldstrafen. Wenigstens ein bisschen Hoffnung macht die Hausverwaltung: Laut Lahr möchte der Eigentümer den Bunker auch in Zukunft an die MusikerInnen vermieten. „Wir warten die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ab“, so Lahr. Wenn ein verbindliches Urteil vorliegt, wird dementsprechend gehandelt.“

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