: Wo dein Platz ist, Genosse
In der Brandenburger Provinz kooperieren CDU und Linke
Von Marco Zschieck
Wird das beschauliche Brandenburg zum Experimentierfeld des deutschen Parteiensystems? Die jüngst entflammte Debatte um mögliche Kooperationen oder sogar Koalitionen zwischen CDU und Linkspartei hat jedenfalls neue Nahrung. Dabei hatte Kanzlerin Angela Merkel gerade erst versucht, das Thema abzuräumen. Sie befürworte keine Zusammenarbeit mit der Linken, ließ die CDU-Chefin wissen. Damit reagierte sie auf die Forderung des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther nach einem pragmatischen Umgang mit der Linken.
Langzeitwirkung hat die Ansage aus dem Adenauer-Haus indes schon entfaltet. Am 6. September wählt der Landkreis Ostprignitz-Ruppin einen neuen Landrat. Das Amt sollte eigentlich in einer Direktwahl besetzt werden. Doch weil der Sieger der Stichwahl, der SPD-Amtsinhaber Ralf Reinhardt, das nötige Quorum von 15 Prozent verpasste, war die Wahl ungültig. In solchen Fällen muss der Kreistag den Landrat wählen – allerdings hat die SPD dort keine Mehrheit.
Statt Reinhardt soll der bisherige Vizelandrat des Nachbarkreises Oberhavel, der CDU-Politiker Egmont Hamelow, die Kreisverwaltung leiten. CDU, Linke, Bauernverband und Freie Wählergruppen präsentierten jüngst ein gemeinsames Strategiepapier – ein absolutes Novum. Für den Deal opferte die CDU sogar ihren ursprünglichen Kandidaten, den in der Stichwahl im Mai unterlegenen Sven Deter.
Auf Landesebene versuchen die Parteien den Coup in der Provinz herunterzuspielen. Die CDU in Ostprignitz-Ruppin sei „für sich zu dem Ergebnis gelangt, dass im Rahmen der eingegangenen Kooperation viele jener Inhalte umgesetzt werden können, die den Menschen im Landkreis wichtig sind“, sagte CDU-Landeschef Ingo Senftleben der taz. „Diese Entscheidung respektiere ich ausdrücklich.“ Er habe in den vergangenen Monaten immer darauf hingewiesen, dass er keine Koalition mit linken oder rechten Parteien anstrebe. Aber: „Sollte die CDU in Brandenburg stärkste Kraft werden, werde ich mit jeder Partei, die in den Landtag gewählt wurde, Gespräche führen.“
Etwas weniger zurückgenommen gibt man sich bei der Linken. „Die Kooperationsvereinbarung in Ostprignitz-Ruppin ist ein gutes Ergebnis für linke Politik“, sagte Fraktionschef Ralf Christoffers: „Ich vertrete schon seit Langem die Haltung, dass demokratische Parteien untereinander gesprächsfähig sein müssen – ohne dass aus diesen Gesprächen notwendigerweise Koalitionen oder Bündnisse erwachsen.“
Bei der SPD in Brandenburg, die das ostdeutsche Bundesland derzeit mit der Linkspartei regiert, macht man eher lange Gesichter. Neben dem Verlust des Landratsamts müssen sich die Sozialdemokraten damit auseinandersetzen, dass ihr Koalitionspartner andere Optionen testet. Die Vereinbarung habe bei der SPD keine Freude ausgelöst, sagte Fraktionschef Mike Bischoff. Die Kooperation in Ostprignitz-Ruppin bleibe eine regionale Thematik.
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