: Stasi und dressierte Affen
Spirou hat schon auf der ganzen Welt Abenteuer erlebt. Nur in Berlin war er bisher noch nicht gewesen.Jetzt ist eine Spirou-Geschichte von Zeichner Flix erschienen, die in Ostberlin vor dem Mauerfall spielt
Von Andreas Hartmann
Spirou hat mit seinem Freund Fantasio schon auf der ganzen Welt Abenteuer erlebt und knifflige Fälle gelöst. Seine Missionen verschlugen ihn an entlegene Orte weitab der Zivilisation, aber auch nach Japan oder in die USA. Schurken, denen das Handwerk gelegt gehört, gibt es ja überall. Allein in Deutschland war er bislang noch nicht. Das hat sich nun Dank der Reihe „Spirou & Fantasio Spezial“ geändert. Im Kontext dieser Reihe erlaubt der belgische Verlag Dupuis immer mal wieder ausgesuchten Zeichnern, die berühmte Figur zumindest in Ansätzen auf eigene Weise zu interpretieren.
Der in Berlin lebende Comicautor Flix, der eigentlich Felix Görmann heißt und in Münster geboren wurde, hat den Auftrag bekommen, davon zu erzählen, wie es Spirou und Fantasio einmal in die DDR verschlagen hat, nach Ostberlin, kurz vor dem Fall der Mauer. „Spirou in Berlin“ heißt der Band und er übertrifft alle Erwartungen, die man an ein solches Projekt haben kann.
Es muss für einen Comicautoren eine schier unlösbare Aufgabe sein, eine derart traditionsreiche Figur aus der franko-belgischen Comic-Kunst wie Spirou zu adaptieren, sie einerseits ganz bei sich zu lassen und sie sich gleichzeitig auch anzueignen. Doch Flix ist es tatsächlich gelungen, dass man von ihm einen echten Spirou-Comic bekommt, der natürlich nirgendwo anders als im beschaulichen Rummelsdorf beginnen darf, das wahrscheinlich in der Nähe von Brüssel liegt, und ihm dennoch so manche persönliche Note zu verpassen.
Der Berliner Comicautor, der bereits seit 20 Jahren Comics veröffentlicht, unter anderem Goethes „Faust“ als Bildererzählung herausgebracht hat und mit zig Preisen für seine Kunst ausgezeichnet wurde, ist bekannt für die Quadratnasen, die er seinen Figuren gerne verpasst. Sie sind sein Markenzeichen. So weit, dass sein Spirou nun auch mit solch einem Viereck im Gesicht herumläuft, durfte er jedoch nicht gehen. Dupuis, die Gralshüter von Spirou, achten streng auf die Wiedererkennbarkeit ihrer Figuren. Aber Flix hat andere Möglichkeiten gefunden, dem Comic seinen eigenen Stil zu verpassen. Immer wieder löst er das strenge Erzählschema auf, das beim klassischen franko-belgischen Comic eigentlich die Norm ist. Plötzlich überlappen sich die Panels auch mal, die Struktur löst sich kurz auf, um danach freilich gleich wieder in bester Spirou-Tradition fortgeführt zu werden.
Vor allem aber sind es die ungezählten Gags, Anspielungen und Insider-Jokes, die Flix’ Werk einen eigenen Witz verleihen, der wohl selbst André Franquin erfreut hätte, der in den Fünfzigern die Figur Spirou prägte wie keiner vor und keiner nach ihm und der für seinen tiefgründigen und auch mal bösen Humor bekannt war. Da grüßt in einem Bild mal das Sandmännchen, ein dressierter Affe namens Boris spielt Tennis und macht dauernd „Bumbum“ und Figuren werden berühmte Helmut-Kohl-Zitate wie das über die „blühenden Landschaften“ in die Münder gelegt. Ampelmännchen gibt es natürlich auch.
Die Geschichte, die unheimlich rasant erzählt wird, ist absurd und verrückt, gleichzeitig bekommt man aber auch ein authentisches und vor allem ungeschminktes Bild der DDR gezeichnet. Graf von Rummelsdorf wird in die DDR entführt, wo sein Wissen dabei helfen soll, den Arbeiter-und-Bauern-Staat vor der Pleite zu retten. Mit Hilfe einer Wundermaschine soll Braunkohle in Diamanten verwandelt werden, doch damit das gelingt, ist das Know-how des Grafen gefragt. Spirou und Fantasio wollen den Entführten befreien und geraten zwischen Bürgerrechtsbewegung, Stasi und dressierte Affen, finden sich in einem fliegenden Trabi wieder und in einer wilden Action-Szene, hoch oben auf dem Berliner Fernsehturm.
Diktatur und Unrechtsstaat wird die DDR genannt, da nimmt der Wessi Flix kein Blatt vor den Mund. Womit der Comic auch großen Teilen der Linkspartei als Aufklärungslektüre anempfohlen sei. Sogar eine Gefängnisfolterszene gibt es. Bei dieser werden die Verantwortlichen von Dupuis bestimmt kräftig geschluckt haben. Zum Glück aber haben sie Flix auch bei dieser Szene weitgehend machen lassen, was er wollte.
Flix: „Spirou in Berlin“, Carlsen Verlag
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