: USA stellen Kanada vor vollendete Tatsachen
Präsident Trump und sein mexikanischer Kollege Peña Nieto verständigen sich auf ein neues Handelsabkommen. Kongressabgeordnete wundern sich über die Eile
Aus New York Dorothea Hahn
Donald Trump hat das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta immer wieder als „Katastrophe“ bezeichnet und die Beziehung zu Mexiko mit rassistischen Beleidigungen stark belastet. Am Montagmittag, als Trump seinen eigenen, in den vergangenen Monaten ausgehandelten Handelsvertrag mit Mexiko vorstellt, ist das alles vergessen. Der US-Präsident raspelt Süßholz: „Enrique“, sagt er bei einer im letzten Moment organisierten Pressekonferenz in das auf Lautsprecher geschaltete Telefon auf seinem Schreibtisch im Oval Office. Er nennt den mexikanischen Präsidenten am anderen Ende der Strippe einen „Freund“. Er lobt ihn – und sich – für einen „großen Tag für den Handel“ und schlägt vor, sich gegenseitig zu der „fantastischen Sache“ zu gratulieren. „Der Deal ist gut für unsere beiden Länder – für die Arbeiter, die Farmer und die Bürger“, sagt Trump ins Telefon. Peña Nieto bleibt in der Ansprache distanzierter. Dafür schlägt er „Präsident Trump“ vor, mit einem Tequila zu feiern. Trump, der keinen Alkohol trinkt, schaut gequält.
Tatsächlich ist der Deal bislang nur ein Vorvertrag. Zahlreiche Einzelheiten sind noch unter Verschluss. Bekannt ist, dass künftig mehr Autoteile im Inneren der Freihandelszone hergestellt werden und dass mehr als ein Drittel der beteiligten ArbeiterInnen künftig Löhne von mindestens 16 Dollar die Stunde erhalten sollen. In seinem eigenen Wahlkampf hatte Trump versprochen, er werde Fabriken und Arbeitsplätze in die USA zurückholen.
Weitere wesentliche Vertragsbestandteile sind bisher unbekannt. US-Regierungssprecher erklären, der Deal sei in allen Punkten besser als Nafta. Aber bislang hat die Sache nicht einmal einen Namen, auf den sich die Beteiligten geeinigt hätten. Ebenso wenig klar ist, wer die Unterzeichnerländer sind. Trump will nicht von „Nafta“ sprechen, weil das einen „negativen Klang“ habe. Auch das Stichwort „Freihandel“ vermeidet er. Im Wahlkampf benutzte er das Wort wie ein Schimpfwort, aber nach seinem Amtsantritt holte er sich Berater, die Freihandelsbefürworter sind.
Am Telefon mit Peña Nieto nennt Trump den Deal „US-amerikanisch-mexikanisches Handelsabkommen“. Er meint, das klinge „elegant“. Aber Peña Nieto spricht weiterhin von dem „nordamerikanischen Freihandelsvertrag“. Ein weiterer Unterschied: Anders als Trump will Peña Nieto, dass Kanada dabei bleibt. Trump, der schon mehrere weitere internationale Verträge aufgekündigt hat, zieht es auch in diesem Fall vor, bilateral statt multilateral vorzugehen. Kanada soll am Ende lediglich dem fertigen Deal zustimmen.
Der US-Präsident will den Vertrag Ende November unterschreiben – bevor der mexikanische Präsident die Geschäfte an seinen Nachfolger Andrés Manuel López Obrador übergibt. Dafür braucht Trump allerdings die Zustimmung des US-Kongresses zu dem Vertrag. Und um wiederum die dafür vorgesehene Frist von 90 Tagen einhalten zu können, muss der Vertrag bis Ende dieser Woche an den Kongress gehen.
Dort war offenbar wenig über den Stand der Verhandlungen mit Mexiko bekannt. Mehrere Abgeordnete – darunter Republikaner – zeigten sich am Montag verwundert über das Hauruckverfahren. Sie drängten darauf, Kanada, den wichtigsten Absatzmarkt für zahlreiche US-Produkte, unbedingt einzuschließen. Auch Gewerkschaften warnten vor der Eile. „Wir wollen ein Abkommen, das gut für die Arbeiter in allen drei Ländern ist“, schreiben sie in einer Erklärung.
Die Chefs des Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO, der Stahlarbeitergewerkschaft USW, der Autoarbeitergewerkschaft UAW und der Kommunikationsarbeiter verlangen Einblick in den Abschlusstext des Abkommens sowie Garantien für die Umsetzung und Einhaltung bestimmter Regeln. Bei den „großen drei“ – den US-amerikanischen Autoherstellern GM, Ford und Fiat-Chrysler – hingegen sorgt der Deal für Euphorie. Bei ihnen stiegen am Montag direkt nach Trumps Telefonat mit Peña Nieto die Aktienkurse.
Von Trump verhängte Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren hatten zuletzt das Verhältnis zu Mexiko und Kanada schwer belastet. Eine Lösung dafür sieht im Falle Mexikos auch die neue Vereinbarung zunächst nicht vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen