talk of the town
: Tourist go home

Ein Eisbär greift in der Arktis einen Mitarbeiter der „MS Bremen“ an. Nachvollziehbar: Kreuzfahrtschiffe haben in seinem ohnehin schmelzenden Lebensraum nichts zu suchen

Die „MS Bremen“ und ein Orca Foto: Hapag-lloyd/dpa

Von Edith Kresta

Ein getöteter Eisbär bewegt die sozialen Medien, aber vor allem heizt er die Kritik am boomenden Kreuzfahrttourismus an. „Wie weit soll der Wahnsinn der Kreuzfahrtindustrie noch gehen?“, titelt die FAZ.

Ein Mitglied der Crew des Kreuzfahrtschiffs „MS Bremen“ hat in dem zu Norwegen gehörenden Svalbard-Archipel in der Arktis einen Eisbären erschossen. Ein Akt der Selbstverteidigung, ließ Hapag-Lloyd-Cruises verlauten. Das Tier hatte am Samstag in Svalbard auf Spitzbergen einen Mitarbeiter des Veranstalters angegriffen und am Kopf verletzt. Der Angriff des Eisbären ist das „Tourist Go Home“ der Natur. Er ist die Rache an übergriffigen Touristen, die noch in die letzten Naturreservate eindringen und den Lebensraum des Eisbären, der auch ohne sie dahinschmilzt, weiter bedrohen.

„Erleben Sie ein unvergessliches Abenteuer am Ende der Welt – eine Antarktis-Reise lädt Sie zum Staunen ein“, heißt es in einem Werbetext des Kreuzfahrt-Veranstalters. ­„Gewaltige Gletscher, majestätische Eisberge und aufregende Tierbeobachtungen aus nächster Nähe erwarten Sie in diesem ungewöhnlichen Lebensraum.“

Atemberaubende Erlebnisse verspricht Hapag Lloyd auf ihrer Kreuzfahrt in der Arktis. Dafür zahlen Passagiere Tausende Euro. Eine zehntägige Reise mit der „MS Bremen“, die 160 Passagiere mitnehmen kann, startet bei knapp 6.000 Euro. Die Behörden der Region warnen indes regelmäßig vor der Gefahr, die von Eisbären ausgeht. In den vergangenen vier Jahrzehnten wurden auf Svalbard fünf tödliche Attacken von Eisbären registriert. Der letzte ereignete sich 2011, als ein Bär einen 17-jährigen Briten tötete und vier weitere Mitglieder einer Expedition verletzte, bevor er erschossen wurde.

Hapag-Lloyd Cruises erklärte, die Erlaubnis zum Landgang in Spitzbergen habe seitens der örtlichen Behörden vorgelegen. In Svalbard leben die Eisbären in freier Wildbahn. Das etwa tausend Kilometer vom Nordpol entfernte Archipel zählt laut einer Erhebung von 2015 rund tausend Eisbären. Diese stehen seit 1973 unter Schutz.

2017 waren so viele Deutsche wie noch nie auf einem Schiff unterwegs, konkret: 2,19 Millionen

„Mit unseren Expeditionsschiffen und unserer erfahrenen Crew werden Sie in der Antarktis Welten entdecken, die vielen anderen Schiffen verborgen bleiben“, wirbt Hapag-Lloyd. „Dazu wird Ihre Abenteuerlust durch zahlreiche Anlandungen mit unseren expeditionstauglichen Zodiacs gestillt, die Sie sicher durch den glitzernden sechsten Kontinent führen. Hier in der Antarktis herrscht eine eigenartige Stille, die einfach jeden in den Bann zieht.“

Stille? Das war einmal. 117 Jahre ist die Kreuzfahrt inzwischen alt. Und sie ist eine deutsche Erfindung. Ihr Schöpfer war Albert Ballin, Direktor der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft, kurz Hapag. Weil die Passagierdampfschiffe, die im Linienverkehr die Transatlantikroute zwischen Europa und Nordamerika befuhren, im Winter kaum ausgelastet waren, kam Ballin auf die Idee, das Hapag-Flaggschiff, die erst zwei Jahre alte „Auguste Victoria“, für eine exklusive „Bildungs- und Vergnügungsreise“ einzusetzen.

Ein Erfolgskonzept. 2017 waren so viele Deutsche wie noch nie auf einem Schiff unterwegs. 2,19 Millionen kreuzten demnach im vergangenen Jahr. Das Wachstum hält an. Naturschutzverbände kritisieren schädliche Abgase, schmutzige Abwässer und giftiges Schweröl auf hoher See. Aber auch die Bewohner von Barcelona, Dubrovnik oder Venedig rebellieren längst gegen die in Schockwellen einfallenden Kreuzfahrttouristen, die nur wenig Geld zurücklassen. Der Eisbär wehrt sich auf seine Art.