: Polizist werden jetzt mit Tattoo
Gericht: Polizei darf tätowierte Bewerber nicht grundsätzlich ab-lehnen. Gesetzliche Regelung nötig
Große und sichtbare Tätowierungen sind nach einer Gerichtsentscheidung gegenwärtig kein Hindernis bei einer Bewerbung bei der Berliner Polizei. Diese darf Bewerber mit solchen Tattoos nicht ablehnen, entschied das Berliner Verwaltungsgericht, wie am Donnerstag mitgeteilt wurde. Die bisherige Dienstvorschrift der Polizei, die den Umgang mit Tätowierungen regelt und die Ablehnung von Bewerbern im Einzelfall ermöglicht, reiche nicht aus. Nötig sei dazu ein Gesetz. Gegen die Entscheidung kann die Polizei Beschwerde einlegen.
Ein 26-jähriger Bewerber war wegen der Größe und der vielen Motive der sichtbaren Tätowierungen von der Polizei abgelehnt worden. Der Mann ist am linken Arm und rechten Unterarm sowie am Handgelenk tätowiert mit zum Teil großen Bildern, Symbolen und einem Spruch. Die Tätowierungen zeigen laut Gericht unter anderem „Fußballvorlieben oder weisen familiäre Bezüge auf“.
Entfernung „erheblicher Eingriff“
Die Richter argumentierten, die Entfernung vorhandener Tattoos sei ein erheblicher Eingriff. Die Regelung könne nicht der Polizei oder der übergeordneten Behörde überlassen werden. Darüber müsse der Gesetzgeber, also das Abgeordnetenhaus, entscheiden.
Die Senatsfinanzverwaltung, die in Berlin auch für die Beamten zuständig ist, teilte mit, ein entsprechender Gesetzentwurf sei in Arbeit. Er lehne sich an bestehende Dienstvorschriften an, mit denen das äußerliche Auftreten der Polizisten bestimmt werde.
Das Gericht hatte weiter erklärt, bis zu einer solchen Entscheidung seien „Polizeibeamte im Land Berlin aber berechtigt, jedenfalls solche Tätowierungen zu tragen, die – wie hier – nach ihrem Sinngehalt nicht gegen beamtenrechtliche Pflichten verstoßen“.
Veränderte Einstellungen zu Tattoos
Dabei wurde auch die veränderte Einstellung in der Gesellschaft zu Tätowierungen angesprochen. Nach einem Bericht des Umfrageinstituts Allensbach von 2014 haben inzwischen 24 Prozent der 16- bis 29-Jährigen in Deutschland ein Tattoo. In Ostdeutschland sind es sogar 41 Prozent in dieser Altersgruppe. Bei den über 60-Jährigen sind es nur 3 Prozent in ganz Deutschland.
Die Berliner Polizei hatte die Vorschriften daher in den vergangenen Jahren immer weiter gelockert. Sichtbare Tätowierungen waren ursprünglich ganz verboten. Vor rund einem halben Jahr hatte die Senatsinnenverwaltung durch eine Änderung der Dienstvorschriften für Polizisten entschieden, dass auch sichtbare Tattoos teilweise zulässig waren. Sie müssten aber mit den Anforderungen an das Auftreten und die Neutralität der Polizei in der Öffentlichkeit vereinbar sein. Ziel der Lockerungen war es auch, möglichst wenige der dringend gesuchten Bewerber für den Polizeinachwuchs aussortieren zu müssen.
In jedem Fall verboten sind aber Tätowierungen mit extremistischen, entwürdigenden, sexistischen oder gewaltverherrlichenden Bildern. So war ein Bewerber für den Objektschutz der Polizei abgelehnt worden, weil er auf einem Unterarm die Göttin Diana mit nackten Brüsten zeigte. Der Mann klagte und verlor im April vor Gericht. (dpa)
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