Kommentar PUA im Fall Patrick Öztürk: PUA, bleib bei deinen Leisten!
Der Bremer Untersuchungsausschuss hat versucht, dem verdächtigen Abgeordnetenkollegen einen Prozess zu machen. Ein faires Verfahren sieht anders aus.
J eder kennt doch den Impuls. Wenn's ein Verbrechen oder große Schummelei gab, wie beim Bremerhavener Sozialbetrug, spielen alle gerne Detektiv. Und es ist nur menschlich, wenn Bremens Halbtagsabgeordnete versuchen, als Miss Marples oder eher Nick Knattertons – zwei Drittel der Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses waren Männer – zu glänzen.
Bloß sollte es so einem Gremium dann doch gelingen, diesen falschen Ehrgeiz zu besiegen. Ein PUA sollte nicht versuchen, strafrechtlichen Ermittlungen vorzugreifen. Auch, weil Abgeordnete dem Rechtsstaat verpflichtet sein sollten, zu dessen ehernsten Prinzipien die Unschuldsvermutung gehört.
Die aber haben die 18 Mitglieder des Untersuchungsausschusses preisgegeben. Sie haben ihren Kollegen Patrick Öztürk leichtfertig der Erschleichung staatlicher Transferleistung vorverurteilt. Und weil so ein PUA keine Sanktionen verhängen darf, haben sie ihn aufgefordert, sich selbst zu richten – also das Mandat niederzulegen.
Das Ergebnis der Profi-Ermittler: Die von den „an vielen unterschiedlichen Stellen“ gewähnten „unzweifelhaften Belege“ für vermeintlich kriminelles Handeln „zum Teil unter missbräuchlicher Nutzung des Abgeordnetenmandates seitens Patrick Oztürks“ halten einer juristischen Überprüfung nicht stand.
Zwar hat die Legislative die echten Ermittler*innen aus Polizei und Staatsanwaltschaft durch ihre unseriöse Vorfestlegung auf Patrick Öztürks Schuld unter unguten Erfolgsdruck gesetzt, etwas zu finden. Trotz dieser „unzweifelhaften Belege“ aber haben die akribischen Recherchen nichts zu Tage gefördert, was eine Anklage rechtfertigen könnte.
Klar, der Zweck und die Voraussetzungen eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses sind andere als ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren verfolgt, darauf weist der Leitende Oberstaatsanwalt Janhenning Kuhn zurecht hin, um die „divergierenden Einschätzungen“ zu entdramatisieren.
In Wirklichkeit aber benennt er so gerade das Drama des PUA: Hätte der sich auf die wichtigen politischen Fragen der Affäre konzentriert – alles wäre bestens gewesen. Stattdessen aber hat das Gremium versucht, dem verdächtigen Abgeordnetenkollegen einen Prozess zu machen – in dem es selbst den Job der Ermittler-Crew, der Anklage und der Richter übernimmt. Eine Konstellation, die nicht mal aus der Ferne an ein faires Verfahren erinnert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren