piwik no script img

G20-Gegner grüßen

Ein Jahr nach dem Gipfel haben in Hamburg wieder Fahrzeuge gebrannt, Fassaden von Politikern wurden beschmiert. Der Innensenator will unterdessen die Polizei verstärken

Von Marco Carini

G20-GegnerInnen haben sich in einem Bekennerschreiben zu den Autobrandstiftungen und den „Farbanschlägen“ in Hamburg in der Nacht zu Montag bekannt. Das bestätigte die Hamburger Polizei am Mittwoch. Da die Erklärung bislang nicht von der Polizei veröffentlichte Details zur Tat enthält, gehen die Ermittler nach Informationen der taz derzeit davon aus, dass sie authentisch sein dürfte. Offiziell heißt es nur: „Die Echtheit wird geprüft.“

In der Erklärung, die der taz vorliegt, nehmen die Verfasser explizit Bezug auf den vor einem Jahr endenden G20-Gipfel: „Wir haben den Jahrestag damit verbracht, zur Feier des selbigen einige Verantwortliche für Repression und Fahndung direkt auszukundschaften, ihre Adressen zu markieren, einige sehr teure Fahrzeuge an der Elbchaussee, Fahrzeuge von SIXT und eins von SPIE abzubrennen.“

Laut einer Mitteilung der Polizei, die sich weitgehend mit den Angaben aus dem Bekennerschreiben deckt, fielen am frühen Morgen des vergangenen Montag insgesamt sieben Fahrzeuge den Flammen zum Opfer. Drei Fahrzeuge – ein BMW, ein Porsche und ein Nissan – wurden in der Nähe der Elbchaussee Opfer des Brandanschlages. Ein VW Touran brannte auf dem Lokstedter Firmengelände der Autovermietung Sixt aus, zwei weitere Fahrzeuge – darunter ein Jaguar – wurden durch übergreifende Flammen in Mitleidenschaft gezogen. In Hamburg-Hohenfelde wurde ein Ford Focus, laut Bekennerschreiben ein Firmenwagen der Firma Spie, in Brand gesteckt.

Fast zeitgleich wurden die Außenfassaden der Wohngebäude von Justizsenator Till Steffen (Grüne), dem Polizeigewerkschafter Joachim Lenders (CDU) und der Vize-Leiterin des Verfassungsschutzes, Anja Domres (SPD), mit Farbe und Parolen beschmiert.

Die Auswahl der Anschlagsziele begründen die VerfasserInnen des Bekennerschreibens wie folgt: Steffen habe die umstrittene Öffentlichkeitsfahndung gegen G20-Gegner, die verdächtigt werden, Straftaten begangen zu haben, „bedingungslos unterstützt“. Lenders sei „einer der schärfsten Hetzer rechtsaußen“, der Verfassungsschutz, für den Domres stehe, habe mit seiner Informationspolitik während des Gipfels die Vorarbeit zu Polizeiübergriffen gegen DemonstrantInnen geleistet. Die Fahrzeuge des Autovermieters Sixt „begegnen uns regelmässig bei den Großveranstaltungen der Herrschenden, so auch beim G20-Gipfel“, die französische Firma Spie, die eine Dependance in Hamburg hat, sei „in die Atomindustrie verwickelt“.

In dem Schreiben kündigen die VerfasserInnen an: „Es wird weitere Angriffe geben.“ Die letzten Zeilen des Bekennerbriefs lauten „Hamburg ist ein super Ort für Krawall und remmidemmi! Schluß mit dem Gipfel-Kater!“

So auskunftsfreudig die mutmaßlichen TäterInnen sind, so schmallippig reagierte die Polizei. Sie bestätigte nur, dass die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts die Ermittlungen aufgenommen habe. Für den innenpolitischen Sprecher der Hamburger FDP-Bürgerschaftsfraktion, Carl Jarchow, zeigen die Anschläge, dass die „G20-Gegner ihrem Weg zur Gewalt treu bleiben“. Er forderte eine verstärkte Unterstützung der Polizei bei ihren Aufklärungsbemühungen.

Die wird es geben, wenn auch nicht in Bezug auf die Aufklärung von Straftaten innerhalb des G20-Komplexes. Dafür ist die „Soko Schwarzer Block“ zuständig, für die mehr als 160 Beamte abgezogen wurden – aus anderen Bundesländern, vor allem aber aus anderen Bereichen der Hamburger Polizei, die nun teilweise brach liegen. Nun soll die Polizei der Hansestadt Unterstützung von 100 zusätzlichen Angestellten bekommen, die weniger Rechte als die Polizisten haben und sich „um Ordnungswidrigkeiten und kleine Vergehen“ kümmern sollen. Das verkündet Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) in der heutigen Ausgabe der Zeit. Bemerkenswert: Die schlechter ausgebildeten, für Bagatelldelikte zuständigen Hilfssheriffs sollen teilweise Waffen tragen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen