Andreas Speit Der rechte Rand: Holger G. – der ewige Freund
Holger G. sitzt im Saal A 101 auf der Anklagebank in der letzten Reihe. Seit 438 Tagen nahm der Freund des NSU-Trios Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe hier Platz. Am Mittwochmorgen verurteilt das Oberlandesgericht München G. aus Lauenau nahe Hannover wegen drei Fällen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu einer Haftstrafe von drei Jahren. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzle lässt keine Zweifel aufkommen, das G. wusste, dass das Trio sich für den bewaffneten Kampf als politische Mittel entschieden hat.
Auf G. waren die Ermittler gekommen, nachdem sie 2011 in Eisenach im Schutt des ausgebrannten Wohnmobils neben den Leichen von Mundlos und Böhnhardt auch Waffen und Dokumente entdeckten. Ein Führerschein fiel auf, mit welchen das Wohnmobil und weitere Fahrzeuge für dreizehn Straftaten angemietet worden waren. Der Name auf dem Führerschein: Holger G.
Vor dem Oberlandesgericht räumte G. seine Unterstützung ein, betonte jedoch, von den zehn Morden nichts gewusst zu haben. „Dass die drei Straftaten begehen würden, habe ich nie im Leben geglaubt“, sagte er im Juni 2013. Bei der Polizei hatte er zuvor schon ausgesagt – und galt seitdem als Belastungszeuge.
Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe und G. kannte sich seit Jugendtagen aus Jena. In der thüringischen Stadt wurde G. 1974 geboren. Mit vierzehn Jahren ist er in der rechtsextremen Szene aktiv, gehörte von 1988 bis 1997 dem „Nationalen Widerstand Jena“ an, der mit dem „Thüringer Heimatschutz“ verwoben war. In diesem Netzwerk wirkten auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe führend mit – bis sie 1997 in den Untergrund gingen. Der Kontakt zu G. blieb, er versuchte mit anderen Rechtsextremen eine Flucht ins Ausland zu organisieren, besorgte über die Jahre immer wieder Pässe, Führerscheine und auch eine Krankenkassenkarte für Zschäpe. Auch gab es gemeinsame Urlaube.
2001 übergab G. dem Trio eine Waffe, die ihm der Mitangeklagte Ralf Wohlleben in einer Tüte gegeben hatte. Inwieweit die Waffe eingesetzt wurde ist heute noch unklar. Bekannt ist, dass G. 10.000 DM von den Überfällen zum Aufbewahren bekam, 3.000 DM waren eine Rückzahlung für eine Darlehen in der ersten Phase des Abtauchens.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
G. war 1997 mit seiner Mutter nach Hannover gezogen, arbeitete bis 2011 als Lagerist, war mal Betriebsrat. Der niedersächsische Verfassungsschutz hatte ihn nicht wirklich im Visier. In der Hannoverschen rechten Szene bewegte er sich aber, hatte Kontakte zur NPD, zu „Kameradschaft Hannover/Celle 73“ und der „Kameradschaft Verena“. Noch kurz vor seiner Festnahme, am 25. Oktober 2011, begleitete er seinen Freund Marc-Oliver M. vom verbotenen „Besseres Hannover“ zu einem Prozess.
Bei der Verkündung des Urteils war keine sichtbare Regung von G. zu beobachten. Die Bundesanwaltschaft hatte fünf Jahre Haft für ihn gefordert, seine Anwälte eine Strafe unter zwei Jahren vorgeschlagen, denn er „wolle für seine Tat geradestehen“.
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