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Verdient raus

Wieder ein schlapper, hektischer, fahriger Auftritt: Weltmeister Deutschland verliert mit 0:2 (0:0) gegen Südkorea – und scheidet nach der Vorrunde aus. Schweden und Mexiko erreichen das Achtelfinale

Younggwon Kim aus Südkorea (r) erzielt das 1:0 gegenTorwart Manuel Neuer aus Deutschland Foto: Ina Fassbender/dpa

Aus Kasan Andreas Rüttenauer

Aus, aus, aus, das Turnier ist aus! Die deutsche Nationalmannschaft verliert mit 0:2 gegen Südkorea. Für das Team von Joachim Löw ist die WM zu Ende. Was für ein Ende für den Weltmeister! Was für ein Ende in einem grausamen Spiel! Zweimal trifft Korea in der Nachspielzeit. Einmal durch Young-gwon Kim nach einer Ecke und ein zweites Mal durch Heung-min Son, weil Manuel Neuer das Tor verlassen hatte, um möglicherweise selbst eines zu schießen. Es war ein glücklicher Sieg für Südkorea, gewiss. Aber unverdient war er nicht. Aus Gruppe F qualifizieren sich Mexiko und Schweden für das Achtelfinale. Die beiden schlechtesten Teams der Gruppe scheiden aus. Zu Recht.

Wie es gekommen ist? Jérôme Boateng durfte nicht, weil gesperrt, Sebastian Rudy konnte nicht, weil verletzt, Antonio Rüdiger musste dem genesenen Mats Hummels weichen, für Julian Draxler hat sich kein Platz mehr gefunden, und Thomas Müller, der sich seit zwei Jahren in einer Art Dauerformkrise befindet, sollte auch nicht spielen. Mesut Özil spielte von Anfang an, Sami Khedira übernahm wieder die Sicherung vor der Abwehr, Leon Goretzka kam in der Startelf zu seinem WM-Debüt, und Niklas Süle spielte neben Hummels in der Innenverteidigung. Es war also vieles anders als sonst.

Die Aufstellung ließ vermuten, dass es Bundestrainer Löw wissen will. Und dann kam – gar nichts. Es war entsetzlich mit anzusehen, wie die Deutschen sich den Ball zuschoben um des Zuschiebens willen und dabei nicht einmal sicher genug agierten. Wann hat es das das letzte Mal gegeben, dass eine deutsche Mannschaft, die dem Gegner offensichtlich fußballerisch haushoch überlegen ist, in einer Halbzeit keine einzige echte Torchance kreieren konnte? Nein, der geblockte Schuss von Timo Werner in der 39. Minute (!) war keine Chance.

Aber es war alles noch schlimmer. Die Koreaner waren fleißig, wie man es von ihnen kennt, aber alles andere als ballsicher, und doch waren sie es, die die Chancen hatten. Erst konnte Manuel Neuer einen Freistoß von Woo-young Jung nicht festhalten. Und dann kam kurz darauf Heung-min Son auch noch im Strafraum frei zum Schuss. Er verzog. Den Deutschen schien das scheißegal zu sein, sie spielten einfach so hundsmiserabel weiter wie vor dieser Chance in der 25. Minute. Das Spiel – leblos. Die deutschen Fans – auch.

Drüber, daneben, weit daneben, gehalten. Es war ein Graus. Und dann war es aus

Kurz nach der Pause gab es ein paar Chancen: einen Kopfball von Goretzka, einen Schuss aus zwölf Metern von Toni Kroos – nichts war’s. Das Spiel wurde hektisch. Hatte sich auf dem Platz herumgesprochen, dass Schweden gegen Mexiko in Führung gegangen war? Dass es ein Sieg werden musste? Immerhin war jetzt Engagement zu sehen. War es schon pure Verzweiflung, dass Joa­chim Löw eine gute halbe Stunde vor Schluss seinen Sechser Sami Khedira durch Stürmer Mario Gomez ersetzte? Und dann kam auch noch Müller, den man doch zuvor als ungeeignet ausgemustert hatte. Es wurde vogelwild. Plötzlich gab es Chancen, doch in diesem Spiel der Begrenztheiten konnte keine der beiden Mannschaften selbst beste Gelegenheiten nutzen.

Es war eben alles ein bisschen daneben an diesem Nachmittag in Kasan. Würde Julian Brandt, das ändern können, den Löw gegen Ende für Jonas Hector brachte? Drüber, daneben, weit daneben, gehalten. Es war ein Graus.

Und dann war es aus.

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