: Italien hat nur einen Mann auf dem Platz
Alfred Gomis hat zwei Pässe – einen italienischen und senegalesischen. Bei Senegals Team steht er im Tor
Ob Alfred Gomis beim Spiel seiner Mannschaft Senegal gegen Polen am Dienstag in Moskau tatsächlich zwischen den Pfosten steht – das ist mindestens ungewiss, wenn nicht unwahrscheinlich: Als Stammtorwart der „Löwen“ gilt der 26-jährige Abdoulaye Diallo vom französischen Erstligisten Stade Rennes, der Größte der drei nach Russland gereisten Keeper.
Auf der Bank oder auf dem Platz – Alfred Gomis hat ein ganz anderes Alleinstellungsmerkmal: Er ist der einzige Italiener bei dieser WM! Der 1993 im Senegal geborene, 1,96 große Mann, hat beide Staatsbürgerschaften. Im Alter von drei Jahren kam er ins Piemont, wo sein Vater ihm und seinen Brüdern die Passion des Fussballtowartseins nahe brachte – Alfred Gomis’ Bruder Lys spielte als erster afrikanischer Torhüter in der italienischen ersten Liga, der Serie A, wenn auch nur für 40 Minuten.
In der vergangen Saison war es dann eben Alfred, der sich beim Aufsteiger SPAL Ferrara dauerhaft als schwarzer Torwart in der ersten Liga etablierte und eine gute, wenn auch nicht fehlerfreie Saison spielte. Die Frage, warum das so lange gedauert hat, beantwortet Gomis in einem Interview mit dem Corriere della sera so: „Es gibt immer diese Vorurteile, dass afrikanische Spieler vor allem physisch stark seien, aber nicht technisch und mental. Ich selbst habe die italienische Fußballschule beim FC Turin durchlaufen und kann keinen Unterschied feststellen.“
Wie verbreitet dieses rassistische Stereotyp im italienischen Fußball tatsächlich noch ist, zeigte etwa die Episode um den schwarzen deutschen Spieler Antonio Rüdiger. Als der 2015 mit seinem damaligen Verein AS Rom im Spiel gegen Bayer Leverkusen einen Fehler machte, kommentierte der Ex-Profi Stefano Eranio im Fernsehen der italienischen Schweiz: „Wenn die Dunkelhäutigen auf Abseits spielen, fehlt ihnen die Konzentration. Sie sind zwar physisch stark, aber wenn es ums Denken geht, begehen sie Fehler.“ Das kostete ihn seinen Job, er selbst gab sich reuig.
Im selben Interview mit dem Corriere sagte Gomis, dass er das Trikot des Senegal für seinen verstorbenen Vater tragen werde – und in Erinnerung an die Sklaven, die von der Insel Goree vor der Küste aus nach Amerika verschleppt wurden. Fünfzehn Jahre sei er nicht im Senegal gewesen, und eine Reise in diesem Jahr hätte ihn tief beeindruckt.
Und doch wird Alfred Gomis auch für sein anderes Heimatland bei dieser WM sein, mit der Tricolore-Fahne im Gepäck, sich als Italiener fühlend. In diesem Sinn: Forza Azzurri! Ambros Waibel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen