Japans Bauchschmerzen

Premierminister Abe passt eine mögliche Entspannung mit Nordkorea nicht

Aus Tokio Martin Fritz

Kein Nachbar Nordkoreas verfolgt den Gipfel in Singapur mit mehr Bauchschmerzen als Japan. Denn die nationalkonservative Regierung ist bei dem historischen Treffen zwischen den Führern von Nordkorea und der USA zum Zuschauen verdammt, obwohl eigene elementare Interessen auf dem Spiel stehen. „Ein Friedensvertrag ohne ein klares Bekenntnis zur Denuklearisierung bringt uns nichts“, meinte Japans früherer Chefunterhändler mit Nordkorea, Mitoji Yabunaka.

Falls Kim etwa anböte, die Entwicklung von Interkontinentalraketen auf Eis zu legen, könnte Trump dies zu Hause als Erfolg verkaufen. Doch Japan bliebe weiter von Nordkoreas Mittelstreckenraketen bedroht. Ebenso könnte Trump im Gespräch mit Kim das Schicksal von mindestens 13 Japanern ignorieren, die in den siebziger und achtziger Jahren nach Nordkorea entführt wurden. Dort mussten sie nordkoreanische Spione in Landeskunde und Sprache unterrichten. Japan macht bessere Beziehungen zu Nordkorea von Informationen über den Verbleib der Entführten abhängig.

Deshalb reiste Premier Shinzo Abe in den letzten zwei Monaten zwei Mal nach Washington, um Japans Sorgen zu verdeutlichen. Abe unterstützte Trumps Politik des „maximalen Drucks“ gegen Nordkorea ohne Wenn und Aber. Zwar versprach Trump, Abes Anliegen in Singapur ­anzuschneiden. Aber Premier Abe hat schlechte Erfahrungen mit Trump gemacht. Weder die Gipfelzusage noch die vorübergehende Absage stimmte er mit ihm ab. Auch wurde Japan als einzige G7-Nation von Anfang an mit einem Stahlzoll belegt.

Eine mögliche Entspannung zwischen den USA und Nordkorea gefährdet auch Abes ­Lieblingsprojekt: Der Nationalist will die Verfassung reformieren und den Spielraum von Japans Militärs zulasten des Pazifismus erweitern. Die Bedrohung durch Nordkorea kam Abe dabei gelegen. Die Flüge nordkoreanischer Raketen über Japan hinweg beeinflussten die öffentliche Meinung zu Abes Gunsten.

Aber der 63-Jährige, der seit zwei Jahrzehnten als Scharfmacher gegen Nordkorea politisch punktet, gibt sich flexibel. Er wäre auch zu einem Treffen mit Kim bereit, sagte er. Doch sollte Abe davon ausgehen, dass Japan für Kim keine Priorität hat. Denn Wirtschaftshilfe bekäme Kim von Südkorea oder China ohne so scharfe Auflagen wie von Japan.