: „Das Gesetz hat nichts mit der Kassenlage zu tun“
Der Bundestag erhöht heute die Mittel zur Parteienfinanzierung. SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan begründet, warum die Sozialdemokraten mehr Staatsgeld wollen
Interview Gunnar Hinck
taz: Herr Nietan, heute stimmt der Bundestag über das geänderte Parteiengesetz ab, das die Obergrenze staatlicher Mittel von 165 auf 190 Millionen Euro erhöht. Wie werden Sie stimmen?
Dietmar Nietan: Ich werde mit Ja stimmen. Die Parteien haben einen klaren Verfassungsauftrag: die politische Willensbildung. Das ist der Grund, warum sich der Staat an der Parteienfinanzierung beteiligt. Wir nehmen diesen Auftrag aus dem Grundgesetz ernst, dafür müssen wir aber auch in der Lage sein, auf das veränderte Informationsbedürfnis der Bevölkerung über die sozialen Netzwerke zu bedienen. Das kostet Geld für Personal und Investitionen.
Das Gesetz wurde erst in der vergangenen Woche im Bundestag eingebracht, heute schon soll es beschlossen werden. Warum diese Eile?
Ich kann verstehen, wenn man für eine umfangreiche Gesetzesänderung mit vielen Paragrafen, mit vielen Folgewirkungen in andere Gesetze wochenlang berät. In diesem Fall ändern wir im Gesetz eine einzige Zahl – alles andere, von der Systematik bis zum Inhalt – bleibt gleich. Die Abgeordneten des Bundestags sind in der Lage, diese Änderung in einer Woche zu erfassen, zu bewerten und über sie zu entscheiden.
Das Mehr an Geld wird unter anderem mit den gestiegenen IT-Kosten und der Digitalisierung begründet. Digitalisierung soll doch eigentlich Geld einsparen oder ist kostenneutral: Man spart Druck- und Versandkosten.
Es geht nicht um die Kosten der EDV bei Administration, Druck und Versand. Es geht um Millioneninvestitionen in datenbasierte Kampagnenfähigkeiten und den Aufbau digitaler Kommunikationsplattformen. Ich glaube nicht, dass die Schaffung einer digitalen Version der taz kostenneutral ist. Übrigens: Niemand investiert so intensiv in digitale Kommunikation wie die Feinde der Demokratie, die sich Kostenfaktoren wie Mitgliederbetreuung, Partizipation oder Ähnliches schlicht sparen. Dieser Bedrohung der Demokratie sollten die demokratischen Parteien etwas entgegensetzen können.
Das Bundesverfassungsgericht hat 1992 in seinem Urteil zur Parteienfinanzierung die Obergrenze für „hinreichend“ erklärt, solange „die bestehenden Verhältnisse keine einschneidende Veränderung erfahren“. Sind Onlineforen und YouTube-Videos wirklich einschneidende Veränderungen für Parteien?
Davon bin ich absolut überzeugt. Kampagnen im Internet und in den sozialen Medien beeinflussen Entwicklung der öffentlichen Meinung immens, manchmal sogar den Ausgang von Wahlen. Das ist eine ganz einschneidende Veränderung. Die demokratischen Parteien müssen gegenhalten können, wenn Feinde der Demokratie ihre Propaganda, Hetze gegen Andersdenkende und die Verbreitung von Fake News im Netz betreiben.
Behörden können nicht einfach um 15 Prozent das Budget erhöhen, weil sie in die IT investieren müssen. Warum soll dies nicht für Parteien gelten?
Wie schon gesagt: Parteien haben einen Verfassungsauftrag, den sie auch erfüllen können müssen. Bei staatlichen Behörden, die wegen einschneidender Veränderungen zusätzliche Aufgaben bekommen, passiert das Gleiche.
Dietmar Nietan
54, ist seit 2014 Schatzmeister der SPD und Bundestagsabgeordneter aus NRW
Könnte der wahre Grund nicht ein anderer sein? Sie brauchen frisches Geld, weil sie wegen des Rückgangs der Wählerstimmen weniger staatliche Mittel bekommen. Und mehr Parteien als früher müssen sich den Kuchen teilen.
Der Gesetzentwurf hat nichts mit der aktuellen Kassenlage von Parteien zu tun.
Sie sind laut dem aktuellen Rechenschaftsbericht die vermögendste deutsche Partei mit einem umfangreichen Immobilien- und Medienbesitz. Warum verkaufen sei nicht einfach einen Teil ihres Vermögens, um die Mehrkosten zu stemmen? Sollte die SPD bald wieder besser bei Wahlen abschneiden, bekommen Sie nach geltender Gesetzeslage doch auch wieder mehr Geld.
Es gehört zur ordentlichen Haushaltsführung, laufende Kosten nicht durch einmalige Einnahmen – etwa durch Verkäufe von Immobilien – decken zu wollen. Das wäre sicherlich der falsche Weg.
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