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Viel trinken

Der französische Schriftsteller René Daumal veranstaltet in „Das große Besäufnis“ ein Antisymposion

René Daumal: „Das große Besäufnis“. A. d. Französischen Brigitte Weid­mann. Zero Sharp, Berlin 2018, 192 Seiten, 18 Euro

Von Tim Caspar Boehme

Trinken ist wichtig. Für die Flüssigkeitszufuhr, für Anregungen aller Art und sogar für das Aufrechterhalten des Dursts. Bei Naturen, die dem Exzess zugeneigt sind, hat es eine lebenserhaltende Notwendigkeit.

Der französische Schriftsteller René Daumal, der 1908 in den Ardennen geboren wurde, gehörte definitiv zu diesen Extremhedonisten. Schon mit seiner juvenilen Gruppe „Simplistische Brüder“, aus der später in Paris die Künstlergruppe „Le Grand Jeu“ hervorging, erprobte er künstlich herbeigeführte Rauschzustände aller Art und ruinierte sich durch experimentellen Drogenkonsum so dauerhaft die eigene Gesundheit, dass er mit 36 Jahren starb.

„Das große Besäufnis“ von 1939 ist das umfangreichste zu Lebzeiten erschienene Buch Daumals und nach „Der Berg Ana­log“ das zweite, das beim Berliner Verlag Zero Sharp erscheint. Sein Titel, im Original „La Grande Beuverie“, hält, was er verspricht.

In diesem delirierenden Streifzug der Berauschungen eines namenlosen Erzählers treffen Freunde, lebende wie tote, aufeinander, teilen sich Glas um Glas, Flasche um Flasche oder Fass um Fass, um dazwischen mehr oder minder sinnvolle Beobachtungen von sich zu geben. Ein bisschen liest sich der Text wie ein Antisymposion als späte Replik auf den berühmten Dialog des antiken Philosophen Platon. Eine der Figuren, die den Weg des Erzählers kreuzen, ein gewisser Egomet, kündigt unter anderem einen aufsehenerregenden Reisebericht mit dem Titel „Das große Besäufnis“ an und hat eine schwer zu bestreitende Einsicht parat: „Während die Philosophie lehrt, wie der Mensch angeblich denkt, zeigt das Besäufnis, wie er denkt.“

Der Verleger Maximilian Gilleßen, der in diesem Fall nicht wie sonst selbst als Übersetzer in Erscheinung tritt – die deutsche Fassung ist ein Nachdruck der 1981 bei Henssel veröffentlichten Übertragung von Brigitte Weidmann –, stellt in seinem Nachwort ebenfalls Verbindungen zum Symposion her, aber auch zu Baudelaire und Rimbaud. Und zu Daumals Erfahrungen mit der Gruppe Le Grand Jeu, die sich 1931 aufgelöst hatte.

„Das große Besäufnis“ ist aber vor allem auch ein Trip durch das Labyrinth der Sprache, dazu angetan zu betören und zu verstören.

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