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„Das geht nicht mit Schulpflicht“

Eine Welt ohne Schule? Diese utopische Welt ist Schauplatz des Kinofilms „Caraba“. Regisseurin Katharina Mihm erklärt, warum Kinder darin viel eigenständiger agieren

Besser als im Unterricht von Eis träumen: einen eigenen Eiswagen haben Foto: Caraba

Interview Kaija Kutter

taz: Frau Mihm, Sie haben bei Caraba Regie geführt. Was erzählt der Film?

Katharina Mihm: Der Film erzählt in fünf Episoden Alltagssituationen von jungen Menschen zwischen 8 und 24 Jahren. Es sind Szenen ohne große Dramatik, aber mit Gespür für die „kleinen Momente“. Die können aber auch sehr träumerisch, fantasievoll und humoristisch sein.

Ein Leben ohne Schulpflicht.

Ja. Genau. Man kommt so rein. Das besondere bei diesen Jugendlichen ist, die benehmen sich anders. Ein Jugendlicher, der beim Schnitt zusah, hat gesagt: Es ist eine Welt, wo dieses Raster, das von Erwachsenen geprägt ist, weggenommen ist. In dieser Welt werden die Bewegungen von den Kindern und Jugendlichen bestimmt. Man taucht in diese Andersartigkeit ein. Erst nach und nach stellt sich raus, dass die Schulpflicht abgeschafft wurde.

Wie kam es dazu?

Im Film durch ein Gerichtsurteil. Weil ein junger Mensch auf das Grundrecht des Frei-sich-Bildens geklagt und Recht bekommen hat.

In dem Film will ein Achtjähriger ein Taxi-Start-up gründen. Sind diese Erlebnisse der Kinder und Jugendlichen ausgedacht oder real erlebt?

Es ist eine Mixtur. Der Drehbuchautor Andreas Laudert ist selbst Pädagoge und nimmt wahr, wo überall Lernprozesse stattfinden.

Der Subton des Films ist: Für die Kinder ist eine Welt ohne Schule besser. Teilen Sie die Kritik an der Schulpflicht?

Ja. Ich habe selbst als Kind mich auf die Schule gefreut. Aber ich habe dann die Schule mit fremdbestimmten Inhalten und fremdbestimmtem Stundenplan als schwierig und hindernd empfunden. Es steht im Grundgesetz: Die Freiheit des Individuums ist unantastbar. Kinder sind auch Menschen. Man würde keinen Erwachsenen verpflichten, 13 Jahre lang nach Stundenplan zu lernen und sagen, wer nicht hingeht, verhält sich rechtswidrig, wird kriminalisiert.

Was erhoffen Sie von dem Film?

Ich hoffe, dass ein Nachdenken und eine Diskussion angeregt wird. Nicht nur, wie Schule als Institution verbessert werden kann, sondern dass man sich tatsächlich traut, da mal hinzuspüren: Was wäre das für eine Welt, in der ein junger Mensch sich frei bilden und entwickeln kann.

Das geht in der Schule nicht?

Das geht nicht mit Schulpflicht. Schulpflicht vermittelt automatisch einen Zwang, der die Entwicklung einer natürlichen Neugier bei den meisten jungen Menschen zerstört. Diese natürliche Neugier, sich und die Welt zu entdecken, greift der Film in der Darstellung seiner Protagonisten auf.

Besteht nicht die Gefahr, dass der Film Schüler ermutigt zu schwänzen?

Nein. Der Film hat eine hohe Komplexität. Es kommen dort nicht lauter Jugendliche vor, die zu Hause sitzen und Playstation spielen. Aber die eigentliche Frage ist, müssen Kinder mit sieben Jahren zur Schule, um dort das Lernen zu lernen? Wo doch schon ein Kind mit drei Jahren ungeheure motorische, soziale, kreative und gedankliche Fähigkeiten entwickelt hat. Vielleicht spricht es sogar schon zwei Sprachen. Und wenn der Mensch dann sieben ist, muss er in eine Institution gesteckt werden, um „Lernen zu lernen“. Was soll das?

Ist dieses Konzept des Frei-sich- Bildens nicht eines, das in ohnehin gebildeten Kreisen funktioniert? In Familien, wo eh viele Bücher im Regal stehen?

Das ist ein Argument, das man viel hört. Ich sehe das gar nicht so. In meinem Bekanntenkreis gibt es Leute, die aus prekären Verhältnissen kommen, die die Schule nicht zu Ende machen konnten und die aber absolut gebildete Menschen sind. Natürlich müsste es auch ohne Schulpflicht ein staatlich organisiertes Bildungsangebot geben. Ich glaube aber nicht, dass Kinder aus weniger intellektuellen Familien das dann nicht nutzen würden. Vielleicht sogar ganz im Gegenteil.

Sie kratzen auch an einer sozialen Errungenschaft. Hat Schulpflicht nicht mal verhindert, dass Kinder arbeiten müssen?

Abschaffung der Schulpflicht bedeutet ja nicht, dass das Arbeitsverbot für Kinder auch wieder aufgehoben wird. Es geht doch gerade darum, jungen Menschen Freiheit und Selbstbestimmtheit zurückzugeben.

Wie verhindern Sie, dass Kinder, die zu Hause vernachlässigt werden, nicht mal zur Schule gehen?

Das ist eine andere Problematik, für die man Lösungen suchen muss. Der Film will eine Diskussion anstoßen, aber noch kein perfektes System präsentieren.

Foto: Jan Klein

Katharina Mihm

34 Jahre alt, lebt als Regisseurin in Berlin. Sie hat in Buenos Aires Filmregie studiert. „Caraba“ ist ihre dritte Regiearbeit

Wie kamen Sie eigentlich zum Film?

Ich war auf das Projekt aufmerksam geworden, hatte zunächst nur die Kurzpräsentation gesehen und gedacht, ohje, das ist ein pädagogischer Antilehrfilm. Dann habe ich das Drehbuch gelesen. Das hatte einen Tonfall, der mir sehr gefallen hat.

Wie liefen die Dreharbeiten?

Überraschend gut. Für mich war der Hauptgrund, diesen Film zu machen, dass ich schon lange einen Film mit Kindern und Jugendlichen machen wollte, der nicht im klassischen Sinn ein Kinderfilm ist. Die Arbeit mit jungen Darstellern hat mich interessiert. Wir haben lange gecastet, das war schwierig. Aber die Dreharbeit war wunderbar.

Der Film ist fertiggedreht. Warum ist nun das Crowdfunding nötig?

Wir benötigen Geld für die Postproduktion. Es war nicht leicht, den Film zu finanzieren. Wir arbeiten zum großen Teil ehrenamtlich. Viele Stellen haben gesagt, es ist in Ordnung, wenn ihr eine Diskussion über Schule anstoßt, aber wenn ihr euch gegen die Schulpflicht wendet, müsst ihr sehen, wie ihr klarkommt.

Wann ist Premiere?

Ende Januar 2019.

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