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„Exemplarisch herausgegriffen“

In Niedersachsen belagern rund 60 Autonome das Wohnhaus eines Staatsschutzbeamten

Von Anja Maier

Als „musikalische Kundgebung gegen Spionage und Repression“ bezeichnen die DemonstrantInnen danach ihre Aktion vom Freitagabend. Eine „unfassbare Grenzüberschreitung“ hingegen nennt Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) den Vorfall. Was ist passiert?

Nach einem Bericht der niedersächsischen Polizei war am Freitag eine Gruppe von sechzig teils vermummten DemonstrantInnen vor das Haus des Staatsschutzbeamten Olaf H. gezogen. Durch Sprechchöre, Anbringen von Bannern vor und auf dem Grundstück sei versucht worden, die Familie einzuschüchtern. Der Beamte selbst sei nicht zu Hause gewesen. Nach dem Eintreffen der Polizei soll es zu „Handgreiflichkeiten und Widerstandshandlungen“ gekommen sein. Die Polizei erteilte Platzverweise und nahm mutmaßliche Täter in Gewahrsam.

Innenminister Boris Pistorius sagte, er habe sich den Fall von betroffenen Beamten schildern lassen. „Wenn der Name und die Adresse dieses Beamten auf einschlägigen Seiten der linksautonomen Szene veröffentlicht werden und er dann zu Hause mit seiner Familie Opfer einer solchen Bedrohungslage wird, können wir das nicht hinnehmen“, sagt er. Auch der innenpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Belit Onay, sprach von nicht zu rechtfertigenden „Einschüchterungsversuchen und Wildwest-Methoden“.

Die DemonstrantInnen selbst sehen die Verantwortung für die Eskalation bei der Polizei. Sie seien „auf dem Rückweg von der Aktion ohne Vorwarnung durch behelmte, vermummte Polizeieinheiten überfallen, zu Boden geschlagen und über fünf Stunden in einem Kessel festgehalten worden“. Unter den Einsatzkräften sei auch Olaf H. gewesen, er habe „mit voller Kraft auf am Boden Liegende“ eingetreten.

Olaf H., so die DemonstrantInnen, sei Chef der Staatsschutzabteilung Lüchow-Dannenberg und agiere in dieser Funktion „übermotiviert und aggressiv“. Mit der Aktion habe man einen für das „repressive System“ Verantwortlichen exemplarisch herausgegriffen, um Kritik am System staatlicher Überwachung und Einschüchterung zu demonstrieren.

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