piwik no script img

Ehrliche Haut

Serena Williams ist nach der Geburt ihrer Tochter zurück bei einem Major-Turnier. Neben ihrem Auftakt­sieg wird vor allem über ihren schwarzen Catsuit diskutiert

Aus Paris Jörg Allmeroth

Es ist schon ein seltsamer Anblick, der sich da tief im Unterbau der Weltrangliste bietet. Auf Platz 451 der Tennis-Hackordnung findet sich dort der Name der besten Spielerin in der modernen Ära dieses Sports. Zwischen der Französin Elixane Lechemia und der Russin Nika Kukhtschuk taucht eine gewisse Serena Williams auf. 23 Grand-Slam-Titel hat sie in ihrer Karriere gewonnen, 319 Wochen war sie die Nummer eins, sie hat fast alles erreicht, was man sich wünschen oder erträumen kann. Aber mit 36 Jahren gibt sie noch immer und noch längst keine Ruhe: Seit sie im letzten Jahr heiratete und Mutter wurde – ihre Tochter Alexis Olympia wurde am 1. September 2017 geboren – hat Williams ein neues Ziel, eine neue Mission vor Augen. Sie will nach Schwangerschaft und Geburt noch einmal ganz nach oben, große Turniere gewinnen und vielleicht sogar den ewigen Rekord an Grand-Slam-Titeln brechen; 24 Major-Siege gilt es zu übertrumpfen, die Bestleistung, die von der Australierin Margaret Court-Smith gehalten wird.

Bei den French Open ist die jüngere der beiden Schwestern aus der Tennis-Dynastie Williams auf die große Tennisbühne zurückgekehrt, am Dienstagabend gewann sie nach hartem Kampf mit 7:6 und 6:4 gegen die Tschechin Karolina Pliskova. Es war das erste Grand-Slam-Spiel nach genau 486 Tagen Pause, nach dem Sieg bei den Australian Open 2017. Jenen Titel hatte sie schon als werdende Mutter errungen, sie verließ Melbourne damals als Nummer 1 der Welt. „Ich habe wieder große Ziele. Ich will in der Spitze mitspielen, sonst habe ich keinen Spaß“, sagt die 36-Jährige. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Williams schon bei diesem Turnier eine tragende Rolle einnimmt, schließlich ist Sand nicht der Belag, auf dem sie sich am wohlsten fühlt. Sie ist auch nicht gesetzt, muss deshalb schon früh in Paris gegen erstklassige Konkurrenz antreten. Aber manche rechnen sie bereits beim traditionellen Saisonhöhepunkt in Wimbledon zu den Favoritinnen, vielleicht auch deswegen, weil sich in der langen Abwesenheit der Branchenführerin keine andere gefunden hat, die Williams’ zuvor bestimmende Rolle ausgefüllt hätte.

Im Gegenteil: Das Frauentennis kannte keine überstrahlenden, überragenden Persönlichkeiten, oft genug waren die Majors ein wahres Lotteriespiel mit vielen Kapriolen. Auch in Paris im letzten Jahr war das so, aus heiterem Himmel triumphierte die unerfahrene Lettin Jelena Ostapenko. Noch abenteuerlicher ging es dann bei den US Open in New York zu, es siegte Sloana Stephens, die im August 2017 noch die Nummer 934 der Weltrangliste gewesen war. Stephens selbst brachte das alles so auf den Punkt: „Wow, wie verrückt ist das denn?“ Während Williams Mutter wurde, wechselte die Weltranglistenführung immer wieder hin und her, fünf verschiedene Spielerinnen rückten an die Spitze und wurden wieder verdrängt, auch Angelique Kerber zählte dazu.

Nun stellt sich die Frage, ob Williams noch einmal eine dominierende Position einnehmen kann, ob sie den auf Dauer wenig überzeugenden Frontfrauen wie Karolina Pliskova, Garbine Muguruza, Simona Halep oder auch Carroline Wozniacki aufs Neue die Show stehlen kann.

„Für alle Mütter, die eine schwere Genesung von der Schwangerschaft hatten – bitteschön!“

Williams empfiehlt sich als Rollenmodell

„Der Start hier war ganz in Ordnung. Ich nehme es Spiel für Spiel, blicke nicht zu weit voraus. Ich will wieder in meinen Rhythmus finden“, sagte Williams nach dem Sieg gegen Pliskova. Sie muss mit noch mehr Gegenwehr rechnen, wenn es in Runde zwei gegen die an Nummer 17 gesetzte Australierin Ashleigh Barty geht.

Auch gegen Barty dürfte das Outfit von Williams wenigstens genau so viel Aufmerksamkeit erregen wie das Duell selbst. Am Dienstag war sie in einem hautengen, schwarzen Catsuit auf den Centre Court marschiert. Die Reaktionen in den Weiten der virtuellen Welt waren, wen wundert’s, gespalten. Manche fanden, das Ding sehe aus wie ein „Superheldinnen-Dress“, der Williams nun einmal zustehe. Manche fanden die Aufmachung gewagt ob der üppigen Formen der Meisterspielerin. Aber wer Williams gut kennt, und die frühere Starspielerin Chris Evert gehört gewiss dazu, der ahnte, dass der Dress auch ein Statement war. „So ist das halt, wenn man aus einer Schwangerschaft zurückkommt. Das ist einfach nur ehrlich. Und ich nehme an, Serena wollte nichts verhüllen“, sagte Evert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen