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heute in bremen„Wir fordern die Anerkennung des Unrechts“

Volker Mörchen, 49, ist aktiv in der „Initiative in Gedenken an Laye-Alama Condé“. Infos unter: brechmittelfolter-bremen.de.

Interview Jean-Philipp Baeck

taz: Herr Mörchen, heute diskutiert die Bürgerschaft über eine Anfrage zur jahrelangen Brechmittelpraxis. In seiner Antwort gesteht der Senat ein, dass es „falsche und ethisch kritisch zu bewertende Entscheidungen gegeben“ habe. Wieso reicht Ihnen das nicht?

Volker Mörchen: Verantwortungsübernahme hieße, dass Handlungen folgen. Der Senat räumt zwar Fehler ein und respektiert das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der die Zwangsvergabe von Brechmitteln 2006 als „unmenschlich und erniedrigend“ verurteilt. Aber Fälle, die vor dem Urteil liegen, will der Senat nicht als Unrecht bezeichnen. Ein Menschenrechtsverstoß, der erst ab einem gewissen Zeitpunkt einer ist? Das ist doch Unsinn.

Wie viele Leute waren von der Zwangsvergabe betroffen?

Es gibt eklatante Informationslücken und keine Statistik über die Zwangsvergabe. Brechmittel wurden von 1993 bis 2004 mindestens 1.200 Mal in Bremen verabreicht, vielen Menschen waren die Hände gefesselt. Wir gehen von 60 bis 180 Menschen aus, denen das Mittel zwangsweise eingeflößt wurde, während sie gefesselt waren und ihnen der Kopf fixiert wurde.

Sie fordern eine Entschädigung?

Wir fordern überhaupt erst mal die umfassende Anerkennung des Unrechts. Eine Entschädigung wäre ein Symbol dafür, es mit einer Entschuldigung für die rassistische Praxis ernst zu meinen.

Dass Rassismus eine Rolle spielte, weist der Senat zurück.

Debatte „Menschenrechtswidrige Brechmittelvergabe: Verantwortung und Konsequenzen“, vermutlich ab 16 Uhr, Bürgerschaft. Livestream unter: bremische-buergerschaft.de

Wie kommt man dazu, dass es kein Rassismus war, wenn nur Schwarze im Fadenkreuz waren? Die Berichte der Betroffenen zeigen: Begleitend zum Brechmittel gab es in der Zeit auch krasse Schikanen und rassistische Übergriffe von Seiten der Polizei. Interessanterweise ist die Polizei heute in der Aufarbeitung des Falls Laye Condé konsequenter und menschenrechtsorientierter als die Regierung. Bei Senat, Bürgerschaft, Justiz und Ärzteschaft warten wir bis heute darauf, dass Konsequenzen gezogen werden.

Was erhoffen Sie sich von der heutigen Bürgerschafts-Debatte?

Wenn in den Reden herauskäme, dass es wichtig ist, zu mahnen und gedenken, wäre man einen Schritt weiter. Auch der Beirat Mitte erhofft sich ein Signal von Seiten der Bürgerschaft zu einem Gedenkort im Viertel.

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