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„Die Auswahl wird von Willkür und Zufall geprägt sein“

Der Gesetzentwurf zum Familiennachzug soll schon kommende Woche im Kabinett beraten werden. Pro-Asyl-Chef Burkhardt warnt davor, dass der Nachzug Angehöriger im Alltag blockiert werden könnte

Foto: dpa

Günter Burkhardt, gründete 1986 Pro Asyl mit und ist heute Geschäfts­führer.

Interview Miriam Schröder

taz: Herr Burkhardt, die Bundesminister haben sich auf einen Kompromiss beim Familiennachzug geeinigt. Bei der Auswahl der 1.000 Personen, denen ab August monatlich der Zuzug gewährt werden soll, sind offiziell humanitäre Gründe ausschlaggebend. Das ist doch zu begrüßen, oder?

Günter Burkhardt: Das Gesetz ist grundsätzlich europarechts- und grundgesetzwidrig und ersetzt das Grundrecht, als Familie zusammenzuleben, durch ein Gnadenrecht des Staates. Wenn bei circa sechzigtausend Nachzugsberechtigten aus Syrien nach humanitären Gründen ausgewählt wird und nur 1.000 Menschen pro Monat kommen dürfen, ist absehbar, dass diese Auswahl von Willkür und Zufall geprägt sein wird. Humanitäre Gründe, die im Gesetzentwurf genannt werden, klingen schön, werden aber in der Praxis den Grundkonstruktionsfehler nicht lösen können.

Sie kritisieren, dass die lokalen Ausländerbehörden besonders Integrationsaspekte berücksichtigen sollen und das zu viel Willkür führe. Wieso bedeutet das Willkür?

Die Prüfung von Integrationsaspekten hat mit Humanität nichts zu tun. Die Prüfung, ob Menschen aus humanitären Gründen zum Familiennachzug berechtigt sind, wird dadurch verkompliziert. Denn die Ausländerbehörden erteilen keine globale Zustimmung zum Nachzug aus humanitären Gründen, sondern müssen weitere Voraussetzungen prüfen.

Welche Kriterien wären denn dann angemessener?

Bei 60.000 Nachzugsberechtigten sind nicht die Kriterien das Problem, sondern die zu geringe Zahl. Es handelt sich um ein Grundrecht – und die Auswahl und Gewichtung der Kriterien wird von sachfremden Kriterien angefüllt, nämlich ob sich Integrationserfolge abzeichnen.

Für die Auswahl der 1.000 Nachzugsberechtigten sollen die Auslandsvertretungen und die Ausländerbehörden zuständig sein. Sie befürchten, das führe zu Behördenwirrwarr. Warum?

Zunächst einmal wird es zeitliche Verzögerungen geben. Wir haben Botschaften, die unterbesetzt sind und die prüfen müssen, ob die Voraussetzungen vorliegen. Dazu haben wir Ausländerbehörden und manche Innenminister, die keinen Familiennachzug wollen, plus Bundesländer, die ebenfalls gegen den Nachzug sind. Problematisch ist auch, dass kein Familiennachzug stattfinden soll, wenn die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht zu erwarten ist. Wenn also die Debatte losgeht, ob die subsidiär Geschützten nicht eigentlich zurückkönnen, wird das Recht auf Familiennachzug dadurch blockiert. Durch diese Kombination von politischem Willen und den Behörden, die keinen Nachzug wollen, gibt es viele Hebel, die den Nachzug von Menschen, die geschützt werden müssen, blockieren können.

FDP-Chef Christian Lindner kritisiert, dass Menschen ohne Bleibeperspektive überhaupt ihre Familien nachholen dürfen. Da hat er doch eigentlich recht, oder?

Nein. Herr Lindner ist offensichtlich der Rechtsgrundlagen zum Familiennachzug unkundig. Ein Nachzug muss ermöglicht werden, wenn die Familien­einheit im Herkunftsland auf absehbare Zeit nicht realisiert werden kann. Bei subsidiär Geschützten ist eine Rückkehr in Bälde genauso wenig zu erwarten wie bei denen, die durch die Genfer Flüchtlingskonvention geschützt werden. Christian Lindner hat Öffnungen zu rechtspopulistischen Positionen vollzogen, die inakzeptabel sind. Genauso problematisch ist es, wenn CDU und SPD solchen Stimmungen nachgeben und Grundrechte einschränken, wie man an diesem Gesetz sehen kann.

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