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Nachrichtenbüro gestürmt

Der ukrainische Inlandsgeheimdienst hat die Räume von Ria Novosti durchsucht

Aus Kiew Bernhard Clasen

Um neun Uhr morgens stürmten gestern Angehörige des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU die Räumlichkeiten der Nachrichtenagentur Ria Novosti Ukraine, die als eine Tochter der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti gilt.

„Angehörige des SBU haben gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft der Autonomen Republik Krim ein Netzwerk aufgedeckt, das von der Russischen Föderation kontrolliert wird. Die Rechtsschutzorgane haben herausgefunden, dass dieses Netzwerk vom Aggressorland im Rahmen des hybriden Informationskrieges gegen die Ukraine eingesetzt wird“, begründete eine Sprecherin des SBU das Vorgehen.

Schon am Morgen war der Chef der Nachrichtenagentur, der russische Staatsbürger Kirill Waschinskij, vor seinem Haus verhaftet worden. Die Nachrichtenagentur UNN berichtet unter Berufung auf den Inlandsgeheimdienst SBU, man werfe Kirill Wyschinskij Staatsverrat vor. Am Nachmittag fand auch in der Privatwohnung von Waschinskij eine Hausdurchsuchung statt.

Ukrainische Medien berichten weitgehend wohlwollend von der Hausdurchsuchung. So bezeichnet die angesehene Novoe Vremja die Nachrichtenagentur als „Büro einer russischen Propagandaquelle“.

Regierungskritische Medien werden zunehmend von staatlichen Organen und rechtsradikalen Aktivisten bedrängt. So hatten am 9. Mai Angehörige nationalistischer Organisationen den Fernsehsender Inter blockiert, weil dieser ein Konzert mit sowjetischen Kriegsliedern gesendet hatte. Auch Molotowcocktails waren bei dieser Aktion eingesetzt worden.

Oxana Omeltschenko, Chefredakteurin der regierungskritischen Zeitung Vesti berichtet über die neue Unfreiheit kritischer Medien: „Radio Vesti wurde in den Großstädten Kiew und Charkow die Lizenz entzogen, am 14. Juli wurde unser Redaktion von der Militärstaatsanwaltschaft überfallen. Unsere Redaktion, in der zu 70 Prozent Frauen arbeiten, wurde von gepanzerten Fahrzeugen umringt, die Redakteurinnen wurden bis nachts festgehalten, man durchsuchte unsere Handys.“

Kritische Journalisten haben nicht nur Einschränkungen von staatlicher Seite aus zu befürchten. Nach Angaben der ukrainischen Journalistengewerkschaft ist allein im vergangenen Jahr im Durchschnitt an jedem dritten Tag ein Journalist tätlich angegriffen worden.

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