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Kommentar Arbeiten in DeutschlandSchöne neue Jobwelt

Jörg Wimalasena
Kommentar von Jörg Wimalasena

Unterbezahlte Handwerker, Postmitarbeiter unter Drückebergerverdacht – und ausgerechnet Wolfgang Clement soll den Schlichter geben.

Die Anfahrt zur Baustelle wird nicht bezahlt: Bauarbeiter haben allen Grund, sauer zu sein Foto: dpa

I m Radio diskutiert man am Montag­morgen, schon bevor das Frühstücksei des Autors fertig ist, über das Geschäftsgebaren der Deutschen Post. Der Logistikkonzern bietet befristet beschäftigten Briefträgern in vielen Fällen nur dann eine Festanstellung an, wenn diese sich in den vergangenen Jahren weniger als sechsmal krankgemeldet, nicht zu viele Unfälle verursacht und nicht zu lang für ihre Touren gebraucht haben. „Man hat als Arbeitgeber ein gutes Gefühl dafür, ob jemand von seiner Arbeitseinstellung dazu neigt, Krankheit anzumelden, obwohl man weiß, dass der kerngesund ist“, sagt der Konzernsprecher dazu.

Weiter im Programm geht es mit dem Tarifstreit im Baugewerbe. Dort arbeiten 800.000 Menschen. Die Gewerkschaften fordern 6 Prozent mehr Lohn. Dabei wird nicht einmal verhandelt, ab wann der eigentlich gezahlt wird. Während die Baufirmen sich Anfahrtszeiten zur Baustelle entlohnen lassen, gehen die Arbeitnehmer leer aus, auch wenn „Hin- und Rückfahrt schon durchaus mal zwei Stunden dauern können“, wie die Reporterin sagt.

Schlichter in dem Streit zwischen Gewerkschaften und Unternehmern ist übrigens der ehemalige SPD-Arbeitsminister Wolfgang Clement. Unter dessen Ägide veröffentlichte das Arbeitsministerium einst eine Broschüre, in der Erwerbslose als „Parasiten“ bezeichnet wurden. Clement selbst forderte damals „unnachgiebige Konsequenz gegenüber jenen ‚schwarzen Schafen‘, die sich Leistungen erschleichen wollen“. Clement ist mittlerweile als Lobbyist für Unternehmerverbände tätig.

Das ist also die schöne neue Arbeitswelt. Die einen fahren morgens um sechs eine Stunde lang unbezahlt zur Baustelle, während die Bauwirtschaft im vergangenen Jahr 117 Milliarden Euro umsetzte. Sozialbetrüger-Jäger Wolfgang Clement wird als Vermittler in Tarifstreitigkeiten herangezogen – und bei der Post sucht man derweil intern nach Mitarbeitern, die sich zu lang krank melden.

Da bleibt einem das Frühstücksei im Hals stecken.

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Jörg Wimalasena
Redakteur Inland
bis Januar 2022
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9 Kommentare

 / 
  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    ... und Journalisten sitzen morgens bei ihrem Frühstücksei, hören Radio und sinnen darüber nach, einen Kommentar zur Arbeitswelt zu schreiben. Einen Kommentar! Jawohl! So soll es denn sein!

    Ich freue mich schon auf den Kommentar. So richtig TAZ-like, kritisch links angehaucht, mit Esprit und Hintersinn. Das wäre einmal 'was.

  • Schlimm

     

    Am schlimmsten ist der "freie" Journalismus!

     

    Dagegen ist selbst die Post ein Arbeitsparadies...

  • Genau dies sind die Vorstellungen einer neoliberalen Arbeitswelt, welche der ehemalige Staatskonzern – schleichend - in seinem Haus etabliert hat. Sich jeden Tag seinen Arbeitsplatz neu zu erkämpfen, immer gezwungen sein “Vollgas“ zu geben, soll die (einfachen) Arbeitnehmer zu mehr Leistung - und somit zu mehr Effizienz – antreiben. Eine hohe Fluktuation an der Basis erhöht zusätzlich den Druck auf den einzelnen Arbeitnehmer. Der unbefristete Arbeitsvertrag bleibt für viele Arbeitnehmer ein Wunsch, denn die Höhe der “Hürden“ (Leistungsanforderungen/-kriterien), die es hierzu zu überwinden gilt, legt im Vorfeld der Arbeitgeber fest!

  • "Sozialbetrüger-Jäger Wolfgang Clement" - Vielleicht geht er sich ja als solcher auch mal in die Falle ...

  • Ach der Clement; ist das nicht der, der als Wirtschaftsminister unter Schröder erst die Leiharbeit befördert hat. Und danach Chef einer Leiharbeitsfirma war? Ja, der Gas-Gerhard und seine Vasallen werden wie Untote immer wieder aus den Tiefen des Neokapitalismus an Land geschwemmt.

  • Mir stellt sich die Frage: was ist das für eine Gewerkschaft, die diesen korrupten Misanthropen als Schlichter akzeptiert?

    • 7G
      75064 (Profil gelöscht)
      @MC:

      Die IG Bau vertritt die Interessen der Arbeitnehmer mindestens so gut wie die sPD dies schon seit Jahren tut. Alles in Ordnung also!

  • Dann melde ich mich eben ab jetzt nicht mehr krank und stecke die andren an. Dann können sie sich krank melden und ich bekomme den festen Job.

     

    Der Kapitalismus macht krank.

  • Ausgerechnet Clement. Das ist ein schlechter Witz und zeigt, wie stark der Neoliberalismus in DE verankert ist und was die Herrschenden sich dreisterweise erlauben können.