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Archiv-Artikel

„Das ist Körperverletzung“

SELBSTHILFE Betroffene, Anwälte und Ärzte diskutieren über Mobbing und Hilfsmöglichkeiten

Von EIB
Jochen Killing

■ 59, Betriebsrat am Klinikum Mitte, engagiert sich in der Selbsthilfegruppe „Stoppt Mobbing Bremen“.

taz: Herr Killing, Sie wollen auf einen besonders gravierenden Fall von Mobbing aufmerksam machen. Worum geht es?

Jochen Killing: Das ist eine ganz furchtbare Geschichte, die vor dem Arbeitsgericht Bremerhaven verhandelt wird. Da geht es nicht nur wie sonst um kündigungsrechtliche Fragen, sondern um Schadensersatz. Die betroffene Frau musste unter anderem zwölf Stunden am Stück arbeiten – obwohl sie schwerbehindert ist. Das ist richtig Körperverletzung, die Frau muss jetzt starke Schmerzmittel nehmen und ist völlig am Ende.

Landen viele Mobbing-Fälle vor Gericht?

Nein, leider nicht. Anwälte haben daran selten Interesse, weil sich kein Geld damit verdienen lässt und das Verfahren sehr zeitintensiv ist. Sie müssen als Betroffene ja erst mal beweisen, was Ihnen passiert ist, etwa anhand eines Mobbing-Tagebuchs. Das Problem ist: Das sollen Sie in einer Situation tun, in der Sie wie paralysiert sind, in der Sie so krank gemacht wurden, dass Sie arbeitsunfähig sind.

Worunter leiden die Leute?

An allem. Ich habe hier in acht Jahren hunderte von Betroffenen erlebt, da gab es Schlaganfälle und Herzinfarkte. Fast alle leiden an schweren Schlafstörungen. Und es geht ihnen psychisch schlecht, viele bekommen Psychopharmaka. Wer gemobbt wird, verliert oft nicht nur seinen Job, sondern auch gleich seine Familie. Ich kenne einen Pfleger, dessen Frau hat ihn verlassen, weil sie fand, er würde sich nicht genügend wehren. Auch Ärzte und Psychologen sagen das: „Denken Sie mal nach, warum Ihnen das passiert.“

Und warum?

Wir machen den Leuten klar, dass es nicht an ihnen liegt. Wer mobbt, will jemanden loswerden oder hat Spaß daran.

Gibt es Branchen, in denen das besonders oft geschieht?

Viele kommen aus Dienstleistungsberufen, Banken und Versicherungen. Und aus Pflegeberufen.  INTERVIEW: EIB

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