: Rausch und Freude im Moment des Tötens
POLITISCHES KINO Die Akademie der Künste ehrt den Regisseur Avi Mograbi und zeigt seinen Film „Z 32“ mit Geständnissen eines israelischen Elitesoldaten
Avi Mograbi ist ein bemerkenswerter Filmemacher. Immer wieder befasst er sich skeptisch mit der Politik der israelischen Regierung, ohne je in den Modus plumper Anklage zu verfallen. Vielmehr sucht er nach klugen, selbstreflexiven Formen des politischen Kinos. Dafür wird ihm am 1. November in der Akademie der Künste der Konrad-Wolf-Preis verliehen, und aus diesem Anlass wird „Z 32“, seine jüngste Arbeit, erstmals in Berlin gezeigt.
Der Film folgt den Reflexionen eines ehemaligen Elitesoldaten, der im Westjordanland an einer Racheaktion gegen palästinensische Polizisten beteiligt war. Nachdem sechs israelische Soldaten erschossen worden waren, zog sein Kommando los, um sechs Palästinenser zu töten. Sie griffen einen Polizeiposten an und erschossen zwei Männer. Der junge Mann erinnert sich, dass er, während er schoss, weder Zweifel noch Reue empfand, sondern Rausch und Freude.
Heute engagiert er sich wie Mograbi selbst auch bei der Organisation Shovrim Shtika. Shovrim Shtika bedeutet „das Schweigen brechen“ und sammelt die Erinnerungen und Zeugenaussagen von ehemaligen israelischen Soldaten, Z 32 ist die Archivnummer, unter der die Erinnerungen von Mograbis Protagonisten abgelegt sind. Der junge Mann besteht darauf, anonym zu bleiben und sein Gesicht nicht zu zeigen, denn er fürchtet die Rache der Angehörigen der ermordeten Palästinenser. Das stellt Mograbi vor ein großes Problem: Wie macht er einen Film über einen Mann, dem man nicht in die Augen schauen kann, wenn er davon spricht, dass er auf einen Menschen feuerte? Und deckt der Filmemacher, indem er seiner Hauptfigur Anonymität gewährt, nicht jemanden, der vor Gericht gehörte?
Nun wäre Mograbi nicht Mograbi, wenn er solche Überlegungen vor Drehbeginn zum Abschluss gebracht hätte und sie im Film selbst unterdrückte. „Z 32“ reflektiert von den ersten Szenen an die Dilemmata, die sich aus der Suche nach angemessenen Darstellungsformen ergeben. So sieht man in der zweiten Sequenz Mograbi, der, unter einer schwarzen Strumpfmaske versteckt, im eigenen Wohnzimmer sitzt und laut darüber nachdenkt, dass es so keinen Sinn hat – und dass er außerdem keine Luft bekommt. Er schneidet Löcher in den Strumpf, aber auch das macht es nicht besser. In der ersten Sequenz ist der Protagonist gemeinsam mit seiner Freundin zu sehen, die Gesichter sind weggepixelt. Ein wenig ist das, als schaute man Gespenstern beim Reden zu.
Doch Mograbi hat Glück: Eine Crew von Spezialisten für digitale Effekte kreiert eine Maske. Augen und Mund werden freigelassen, der Rest des Gesichts wird von einer hautfarbenen Schale abgedeckt. Diese Maske wird erst in der Postproduktion ins Bild eingefügt. Zunächst mag man noch denken, die Figuren trügen sie, während sie gefilmt werden. Doch sobald eine Hand mit einer Zigarette zum Mund geht, verschwindet sie unter der Maske, und man merkt, dass die Folie über dem Gesicht nachträglich ins Bild hineinretuschiert wurde. Die Künstlichkeit der Situation ist damit stets gegenwärtig, zugleich geht Mograbis Wunsch, den Ausdruck von Augen und Mund einzufangen, in Erfüllung.
Das zweite Dilemma freilich – will man jemandem, der ein Verbrechen begangen hat, mit einer Maske schützen? – ist moralischer Natur. Mograbi löst es nicht, aber er hält es präsent, indem er, umgeben von einem Kammerorchester, seine Zweifel singend zum Ausdruck bringt. „Z 32“ zeugt davon, wie militärische Logik unmenschliches Handeln hervorbringt und welche Konsequenzen das hat. Und ist zugleich eine beeindruckende Reflexion über die Möglichkeiten – und die Begrenztheiten – von Kunst und Repräsentation.
CRISTINA NORD
■ „Z 32“ wird am 1. November um 18 Uhr in der Akademie der Künste, Hanseatenweg, gezeigt, um 20 Uhr folgt die Preisverleihung