Armenischer Dissident Paschinjan: Revolutionär mit Erfahrung

Seit Tagen gehen Menschen in Armenien gegen Premier Sargsjan auf die Straße. Derweil sitzt Oppositionspolitiker Paschinjan im Knast – erneut.

Ein Mann mit einem Mikrofon in seiner rechten Hand

Nikol Paschinjan bei einer Kundgebung in der vergangenen Woche Foto: reuters

Nikol Paschinjan hat offenbar den Bogen überspannt. Seit Tagen bringt der armenische Oppositionsführer die Bevölkerung in der Hauptstadt Jerewan gegen Ministerpräsident Sersch Sargsjan auf. Dieser hatte sich vergangenen Dienstag erneut zum Premier wählen lassen – dank einer Verfassungsänderung, die seine Republikanische Partei mit absoluter Mehrheit durchs Parlament gebracht hatte.

Nach der Wiederwahl hat Nikol Paschinjan zum Beginn einer „friedlichen samtenen Revolution“ aufgerufen. Seither gingen täglich bis zu 50.000 Armenier gegen Premier Sargsjan und dessen korrupte Regierung auf die Straße. Am Sonntag dann kam es zum Showdown. Um 10 Uhr Vormittag wollten sich die beiden Widersacher für ein Gespräch im Hotel Marriott am zentralen Platz der Republik treffen. Als Nikol Paschinjan jedoch vor laufender Kamera erklärte, die „Bedingungen des Rücktritts“ des Premiers zu besprechen, beendete Sargsjan das Gespräch, bevor es richtig angefangen hatte. Zwei Stunden nach dem Treffen nimmt die Polizei Nikol Paschinjan auf einer Demonstration fest.

Auf YouTube sind Videos zu sehen, wie der 43-Jährige von maskierten Sicherheitskräften gepackt wird. Demonstranten, die ihn schützen und vor der Verhaftung retten wollen, erhalten Schläge oder eine Ladung Tränengas. Auch zwei weitere Oppositionelle von Paschinjans Partei „Ausweg“ (Yelk) werden am Sonntag festgenommen. Ihnen werden unerlaubte Demonstrationen vorgeworfen. Insgesamt hat das Regime rund 200 Demonstranten verhaften lassen.

Als Dissident und Regimekritiker hat Nikol Paschinjan einige Erfahrung. Während seines Studiums in der Journalistischen Fakultät in der Staatlichen Universität Jerewan war er schon ein Revolutionär. Weil er regierungskritische Texte veröffentlichte, ­schmiss ihn die Uni-Verwaltung trotz bester Noten kurzerhand von der Hochschule. 1999 wird Paschinjan Chefredakteur der oppositionellen Tageszeitung Die Zeit Armeniens. Wegen seiner Berichterstattung über Korruption und Skandale in der Regierung und über Premier Sargisjan wurde mehrmals ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet.

Mehrere Tausend armenische Studenten haben am Montag die Proteste gegen Ministerpräsident Sersch Sargsjan fortgesetzt. In langen Kolonnen zogen sie nach örtlichen Medienberichten friedlich Richtung ins Zentrum der Hauptstadt Eriwan.

Die Straßenproteste in der Ex-Sowjetrepublik im Südkaukasus dauern seit elf Tagen an. Sargsjan wird kritisiert, weil er nach zehn Jahren die Macht nicht abgegeben hat, sondern vom Präsidentenamt vergangene Woche an die Spitze der Regierung gewechselt ist.

Verteidigungsminister Wigen Sarkissjan sagte am Montag, ein Einsatz der Armee im Inland sei nur bei Verhängung des Ausnahmezustandes möglich. „Aber das ist einstweilen nicht nötig und wird, hoffe ich, auch künftig nicht nötig sein“, sagte er der Agentur Tass zufolge. (dpa)

2008 dann wird Nikol Paschinjan politisch aktiv. Nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen gehen die Menschen auf die Straße. ­Paschinjan führt die Demonstranten ­unter dem Motto „Kampf, Kampf bis zum Ende“. Um politische Verfolgung zu vermeiden, geht Paschinjan in den Untergrund. Er wurde von der Polizei wegen „Mordvorwürfen und Massenunruhen“ gesucht. Im Juni 2009 stellte er sich der Polizei – er musste zwei Jahre ins Gefängnis.

Nach seiner Freilassung gründet Paschinjan die Bewegung „Zivilvertrag“, die den Rücktritt von Sargsjans Regierung anstrebt. Unter demselben Namen nimmt seine Partei an den Parlamentswahlen 2017 teil und zieht unter dem Oppositionsbündnis Yelk in die Nationalversammlung ein. Nun sitzt Nikol Paschinjan wieder hinter Gitter. Der Premier hatte es ihm angedroht.

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