piwik no script img

Abpfiff nach 17 Sekunden

Extrem kurzes Fußballspiel in Halberstadt

Endlich geht einmal ein Weltrekord nach Ostdeutschland, dachten gestern viele, als sie vom Spiel lasen, das am Mittwochabend der VfB Halberstadt und Budissa Bautzen zur Aufführung brachten: „Nach 17 Sekunden und gerade mal fünf Ballkontakten war es schon wieder vorbei“, berichtete dpa am Donnerstag. Die Nachholpartie in der Fußball-Regionalliga Nordost wurde wegen Gewitters praktisch direkt nach dem Anpfiff durch Schiedsrichter Steven Greif aus Westhausen unterbrochen. Die Mannschaften verschwanden in den Kabinen. Die 300 Zuschauer harrten 45 Minuten aus, bis nach einem Blick auf das Wetterradar der Polizei beschlossen wurde, die Partie nicht wieder anzupfeifen. Jetzt muss das Nachholspiel nachgeholt werden.

Seither fragt sich die gesamte Fußballwelt: War es tatsächlich das kürzeste Fußballspiel aller Zeiten? In vielen Rekord-Annalen lässt sich nichts über ein kürzeres Spiel finden. Es gibt jede Menge Marathonpartien, die sich aus historischen Gründen ewig hinzogen. Aber es fand tatsächlich mindestens ein kürzeres offizielles Spiel statt: Am 9. Oktober 1996 trat Schottland in der Weltmeisterschaftsqualifikation in Estland gegen sich selbst an. Der Schiedsrichter pfiff das Spiel an und nach drei Sekunden wieder ab. Die Schotten hatten zuvor wegen schlechter Sichtverhältnisse eine Vorverlegung des Spiels verlangt, und die Fifa hatte den „Bravehearts“ Recht gegeben. Aus Protest trat die estnische Mannschaft nicht an, und die Fifa wertete die Partie regelkonform mit 3:0 für die Schotten, um später umzuschwenken und ein Nachholspiel auf neutralem Boden zuzulassen, das in Monaco vonstatten ging und 0:0 ausging. Wie die schottischen Fans so sind, reimten sie sich eilig auf den Tribünen einen Song zusammen, der noch heute gern in den Highlands gesungen wird: „One team in Tallinn, there’s only one team in Tallinn!“

Ob es nach dem Siebzehn-Sekunden-Spiel von Halberstadt auch einen Fansong geben wird, ist fraglich, aber man fragt sich besser auch nicht, ob der Schiedsrichter am Mittwoch nicht einfach mal kurz zum Himmel hätte hoch gucken können, um das Spiel gar nicht erst anzupfeifen. Dennoch liegt in der Kürze die Würze eines historischen ostdeutschen Fußballabends.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen