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Viel gewagt, viel gewirbelt

Die Kompanie Sasha Waltz & Guest feiert ihr 25-jähriges Bestehen im Radialsystem V, kurz bevor das Abgeordnetenhaus über den Ankauf des Kulturstandorts entscheidet

Von Astrid Kaminski

Sasha Waltz ist tot. Keine Angst, nur ein schlechter Witz. Zum Glück stammt er nicht von mir, sondern von der allzeit unangepassten New Yorker Performerin Yoshiko Chuma. Waltz liegt ihr im Schoß, Chuma ruft: „Don’t shoot! Don’t kill anybody!“ Dann bricht sie in ein requiemartiges „Sasha, Sasha, Sasha“ aus. Amerikanisches Trauma, verarbeitet zum Berliner Improvisationsabend „Dialoge – Wirbel“ anlässlich des 25. Geburtstags der Kompanie Sasha Waltz & Guest. Impro kann danebengehen, das macht ihren Reiz aus, das schafft die Fallhöhe, gegen die sich behauptet werden muss.

Gefährliche Gewohnheitsmuster

„Wenn man sich zu sehr auf seine persönliche Erfahrung verlässt, rutscht man in Gewohnheitsmuster, auf „bewährtes“ Terrain“, so lässt sich der Tänzer-Choreograf Sergiu Matis in der Zitatesammlung des Abendzettels vom Vorabend wiedergeben. Er ist einer der vielen Weggefährten von Sasha Waltz & Guests.

Sasha Waltz, die ab 2019 nicht unumstrittenermaßen an die Spitze des Staatsballetts wechselt, ihre Kompanie aber erhalten will, hat einiges in ihrer Karriere gewagt, und dafür steht sie auch an diesem Abend wieder ein. Sterben, auferstehen: Ganz so schlimm war es nicht, es sei denn vielleicht, als klar wurde, dass die Kollektivleitung an der Schaubühne (1999–2004) kein Modell für die Ewigkeit war. Oder in Form eines Druckmittels. Fühlte sich Sasha Waltz (zu Recht) unterfinanziert, dann drohte sie mit dem Berliner Aus für ihre Gruppe, überlegte gar, ins Ausland zu gehen.

Auch finanzielle Wagnisse scheute die unternehmerisch veranlagte Choreografin an der Seite ihres visionären Partners und Kompanie-Direktors Jochen Sandig nicht. Sie gründeten die Sophiensæle (1996), als andere (z. B. das Land Berlin) noch gar nicht kapierten, was es bedeutet, Immobilien zu sichern. Später dann (2005) mieteten sie sich das von Sandig entdeckte Radialsystem V am Spreeufer, bauten der Kompanie mit Lottomitteln einen flussseitigen Aufsatz. Schnell hat sich das Radialsystem als Veranstaltungsort für Tanz und Musik etabliert, die unternehmerischen Notwendigkeiten sorgen jedoch dafür, dass die Bühne unglücklicherweise für viele künstlerische ­Initiativen zu teuer ist.

Vor gut drei Wochen nun sorgte eine Nachricht in dieser Hinsicht für Überraschung. Kultursenator Klaus Lederer ließ mitteilen, das Land Berlin werde, vorbehaltlich der Zustimmung des Abgeordnetenhauses, das Radialsystem V kaufen. Es solle „insbesondere für den zeitgenössischen Tanz dauerhaft gesichert und ausgebaut werden“. Die Zustimmung gab es indes noch nicht. Offensichtlich waren die Überlegungen zum Kauf durchgesickert, sodass Lederer mit der Pressemitteilung Farbe bekannte.

Transparenz sieht anders aus

Selbst für die Radialsystem-Geschäftsführerin Friederike Hofmeister soll die Nachricht aber überraschend gekommen sein. Kritischer Punkt des Verfahrens: Offenbar waren überhaupt keine kulturpolitisch eingebundenen Tanzszenen-Akteur*innen informiert. Transparenz sieht anders aus – gerade weil die Bemühungen derzeit eigentlich dorthin gehen, raumpolitisch mit der Szene Hand in Hand zu arbeiten. Trotzdem wäre es natürlich ein tolles Match gewesen, wenn das Land zum 25. Jubiläum die Korken hätte knallen lassen. Von solcher Dekadenz fehlt jedoch bei „Dialoge – Wirbel“ jede Spur.

Überhaupt fehlt die Stimmung. Sasha Waltz wirkt teils wie ein gejagtes Kind, die Casual-Garderobe des Abends hätte der Cast sich zumindest von der besten Freundin absegnen lassen können, die Improvisation nimmt sich selbst zu ernst und pumpt sich mit Symbolik auf. „Dialoge“, damit verbinden sich die großen Architekturbespielungen von Waltz wie zur Eröffnung des Radialsystems, des Jüdischen Museums, des Neuen Museums oder zuletzt der Elbphilharmonie. Ursprünglich handelt es sich jedoch um ein Improvisationsformat, mit dem sich die Choreografin auf (neue) Begegnungen einlässt. Daran knüpft sie nun an. Allerdings nicht in relaxtem Jam-Session-Setting, sondern auf großer Bühne. Effekt: Nach der Pause wird es leerer im Saal.

Der erste Teil war sowieso sehr viel besser. Hauptsächlich wegen Meg Stuart, die Waltz schon aus ihrer New Yorker Zeit kennt, die aber künstlerisch mit ihrer Kompanie Damaged Goods ganz andere Wege geht. Für „Wirbel“ droht sie in einen Trommelwirbel auszubrechen, wie eine somnambule Spielfigur lässt sie sich von Partnerin in crime Chuma die Drumsticks zeremoniell übergeben, dann folgt ein Lachanfall, dann der Fall, dann fallen noch mehr, sie kugeln übereinander. Die Kugelei sei Sasha Waltz gegönnt, allerdings nicht ohne Besserwisserei: Einfach mal totstellen und die anderen machen lassen, das wäre auch okay.

Wieder am 14. und 15.4. im Radialsystem

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