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Zuerst ein Zögern, dann der Angriff

Jazzdrummer Andi Haberl spielte solo und mit Trompeter Richard Koch im Donau115

Von Jan Jekal

Eine Solo-Schlagzeug-Improvisation hört sich zunächst ähnlich reizvoll an wie ein Triangel-Quintett, oder wie alles, was mit Dudelsäcken zu tun hat. Kaum ein Instrument ist mehr auf das Zusammenspiel mit anderen angewiesen. Ein bisschen verloren wirkt Andi Haberl, der ausgebildete Jazzdrummer und Trommler von The Notwist, dann auch, als er sich in dem kleinen Neuköllner Jazzclub Donau115 hinter sein Kit setzt.

Er beginnt zaghaft mit dem vorsichtigen Bespielen kleiner Glocken; die Klänge sind so leise, dass man sie bei den ganzen Bar-Geräuschen kaum vernehmen kann. Er wird langsam lauter, schlägt die Glocken mit Gusto; es klingt, als würde er die Kühe reinholen. Haberl beschwört die Ahnung eines Beats herauf, er berührt sämtliche Teile seines Arsenals an Trommeln und Becken auf sehr freie Weise. Wenn die Rhythmen aber greifbar zu werden scheinen, zieht er sich wieder zurück, in das Lose und Assoziative. Wird es ein wenig körperlicher, rutscht ihm die Brille von der Nase und er muss sie mit dem Zeigefinger wieder hochschieben. Synth-Pads und das hinter ihm platzierte Klavier bearbeitet er später aber auch, und die Harmonien geben seinen Trommel-Exkursionen eine wichtige Grundlage.

Haberl braucht aber Resonanz, er braucht eine Reaktion, er braucht Mitspieler oder Gegenspieler, denn so solo verliert sich sein Trommeln im Raum und bleibt unbeantwortet. Ein besonders langes Zögern zwischen den Schlägen versteht das Publikum als Aufforderung zum Klatschen, und Haberl scheint erleichtert, die Anwesenheit der Leute zu spüren, und nicht nur das Öffnen einer Flasche zu hören, oder das Zerspringen eines Glases, das jemandem aus der Hand gefallen ist.

Für die zweite Hälfte kommt dann der Trompeter Richard Koch hinzu. Den habe er als Joker eingeladen, sagt Haberl, und das war eine gute Idee. Als Koch einsteigt, ist auf einmal Energie im Raum. Für die Free-Jazz-Salven, die sie nun auf ihr Publikum jagen, wirbelt Haberl in einer Geschwindigkeit über sein Kit, dass es aussieht, als hätte jemand den Zeitraffer angestellt. Es ist ein grandioser Lärm, ein euphorisch stimmendes Chaos, und Kochs kreischende Trompete klingt nach einem Elefanten, der auf etwas Spitzes getreten ist. Nach diesen Anfällen spielt Haberl zum Runterkommen einen schwerfällig schlurfenden Viervierteltakt, auf dem sich Koch mit sehnsüchtig modulierten langen Tönen ausbreitet. Dann legen sie noch einmal los, fordern sich heraus, bekämpfen und versöhnen sich, bis sie aufhören müssen, schweißgebadet.

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