Großer Umbau bei der Deutschen Bank: Die Verzwergung

Die Deutsche Bank ist weiter in der Krise – Veränderungen stehen nun an. Der Grund: Konflikte zwischen klassischem Geschäft und Investmentbanking.

Drei Figuren stehen vor einem Gebäude, an dem Deutsche Bank steht

Kaum ein Vergehen, dessen die Deutschbanker nicht überführt wurden Foto: reuters

BERLIN taz | Dell, Ford, Boeing – Kim Hammonds hat schon einige Jobs auf dem Buckel. Die Deutsche Bank hält die 51-Jährige jedoch für die „unfähigste Firma“ („most dysfunktional company“), die sie kennt. Dabei ist Hammonds seit fast drei Jahren IT-Vorständin von Deutschlands größtem Geldinstitut. Die gelernte Maschinenbauerin hat zwar die Zahl der IT-Systeme im Haus von 45 auf 32 reduziert, dürfte aber wegen ihres öffentlich gewordenen Killersatzes eines der ersten Bauernopfer in den anstehenden Personalrochaden in den Frankfurter Zwillingstürmen sein.

Dabei wird es kaum bleiben: „Die Deutsche Bank war eine der schlimmsten Schlangen in der Grube“, sagt der emeritierte Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel aus Bremer. Er hat bereits in einem Buch das „kriminelle Potential“ der 1870 gegründeten Bank beschrieben. Auch für ihn ist die Krise so systematisch, die Probleme so grundlegend, dass ein totaler Neuanfang möglichst schnell her muss.

„Aus eigener Kraft ist die Deutsche Bank wahrscheinlich gar nicht mehr rettbar“, sagt Hickel. Andere Experten sprechen von der „Verzwergung“ der einstigen Vorzeigefirma der Deutschland AG. Die Analyse ist düster: Die Bank hat sich nicht von Finanzkrise, 25-Prozent-Rendite-Ziel von Josef Ackermann, über 8.000 Verfahren und Milliardenstrafen auf der ganzen Welt erholt. Die Frage nach der künftigen Strategie geht zudem im Dauerschmutzbewurf der handelnden Akteure unter.

Die Marktanteile bröseln, auch die Erträge in der einstigen Paradedisziplin – dem Handel mit Anleihen, Aktien, Devisen und Rohstoffen stürzen ab. Eine Antwort auf die Digitalisierung hat die Bank nicht, aber ein IT-Chaos. Drei Jahre in Folge wurden Milliarden Miese eingefahren, der Aktienkurs stürzte allein seit Januar um 30 Prozent ab. Mit einer Bilanzsumme von 1,6 Billionen Dollar steht die Deutsche nur noch auf Platz 16 der größten Banken der Welt. Mal ist von Zerschlagung die Rede, mal gilt sie als Übernahmekandidat. Auf jeden Fall muss alles anders werden.

Weil der Brite John Cryan auch nach drei Jahren auf dem Chefsessel die Deutsche Bank nicht weit genug aus dem Schlamassel gehievt hat, soll wohl auf der Hauptversammlung am 24. Mai auch ein neuer Chef präsentiert werden. Doch hochnotpeinlich: Keiner will den Höllenjob mit einem Fixum von 3,4 Millionen Euro haben, gleich mehrere potentielle Kandidaten haben Aufsichtsratschef Paul Achleitner abgesagt. Dass auch dieses schmutzige Detail aus dem sonst so vornehmen Haus der soignierten Nadelstreifler sickerte, ist nur ein weiterer Hinweis, dass es bei der „Deutschen“ brennt.

„Anfällig für subjektives Fehlverhalten“

Einen Gutteil der Schuld trägt wahrscheinlich Alfred Herrhausen. Als er 1988 alleiniger Vorstandssprecher der Deutsche Bank AG wurde, kontrollierte sein Institut durch Kreditvergaben und Beteiligungen an nationalen und internationalen Unternehmen bereits gute Teile der deutschen und europäischen Wirtschaft. Herrhausen, selbst unter anderem Chefkontrolleur von Daimler-Benz, wollte natürlich mehr. Der Essener Banker kaufte nicht nur in Italien und Spanien zu. Sein größter Coup: Am 27. November 1989 stieg Herrhausen für 2,7 Milliarden Mark bei der britischen Investmentbank Morgan Grenfell in London ein. Drei Tage später wurde der damals 59-Jährige Opfer einer Bombe, möglicherweise gelegt von der RAF.

Ein Jahrzehnt später verstärkte Rolf-Ernst Breuer die Investment-Sparte der Frankfurter – und kaufte die US-amerikanischen Bankers Trust Company. Das Geschäft der Deutschen Bank florierte fortan, die geschmeidigen, vielfach ­angelsächsischen Investmentbanker bekamen zunehmend Macht gegenüber den klassischen ­deutschen Privat- und Geschäftskundenbankern. Deren Margen waren einfach viel kleiner als die der Zocker und Trader. Bis zur globalen Finanzkrise ab 2007, für deren Ausbruch in den USA auch Finanzkonstrukte der Deutschen Bank verantwortlich waren, galt die Bank als hoch respektables Unternehmen. Angela Merkel richtete im Kanzleramt noch 2008 ein Bankett zum 60. Geburtstag von Ackermann aus.

Heute undenkbar: Handel mit Ramschpapieren, betrügerische Karussellgeschäfte, Manipulation an Libor und Euribor, Devisenkursmanipulationen, Cum-Ex-Deals, Verstöße gegen Sanktionsregeln in Russland – kaum ein Vergehen, dessen die Deutschbanker nicht überführt wurden. „Die aggressive Gewinnorientierung hat sie anfällig für subjektives Fehlverhalten gemacht“, sagt Hickel.

Ein schweres Erbe für die Deutsche Bank bis heute. Sie gilt als irgendwie verseucht, vom IWF wurde sie 2016 gar als die Bank mit dem weltweit höchsten Systemrisiko eingestuft. Es ist der Konflikt zwischen Investment- und klassischem Banking, der immer noch nicht gelöst ist, meint auch Hickel.

Dass die Bank trotz Verlusten zuletzt noch Boni in Höhe von 2,3 Milliarden Euro vor allem an ihre 17.000 Investmentbanker ausschüttete, angeblich „Halteprämien“, findet nur wenig Verständnis, auch in der Politik.

US-Investmentbanking bleibt Kern der Strategie

Ein großer Investor, der lieber anonym bleiben will, geht noch weiter: „Die Bank hat ein fundamentales Problem. Sie hat keine Strategie, die auch bewiesen hat, dass sie funktioniert. Wir sind uns nicht sicher, ob das etwas ist, was ein neuer Vorstandschef so einfach lösen kann.“

Natürlich soll auch Achleitner, seit 2012 im Amt, gehen, finden einige: „Er kontrolliert den Prozess offensichtlich nicht“, sagt der Investor. Das mit dem Kopf und dem Fisch sieht auch Hickel so: Achleitner, der ja die Langfrist-Strategie des Hauses verantwortet, müsse gehen, meint der Ökonom. „Er ist nicht die Lösung, sondern das Problem.“

Wohin das Pendel ausschlagen könnte, zeigte sich am Mittwoch, als Achleitner vier neue Mitglieder des Aufsichtsrats präsentierte. Darunter die ehemalige Morgan-Stanley-Bankerin Mayree Clark, die frühere UBS-Managerin Michele Trogni, der Deutschland-Chef der Prüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), Norbert Winkeljohann.

Und John Thain, seit 2007 Chef von Merrill Lynch. Thain gehörte zu den bestbezahlten US-Managern, kassierte mehr als 80 Millionen Dollar. In der Finanzkrise wurde Merrill Lynch 2008 an die Bank of America notverkauft. Die Nominierung des Wall-Street-Veteranen zeigt für Analysten, dass das „Investmentbanking, insbesondere das Investmentbanking in den USA, Kern der Strategie bleiben wird“. Dabei sei klar, „dass das US-Geschäft zu viele Ressourcen verschlingt und zu wenig abwirft“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.