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Die EU zieht Botschafter aus Moskau ab

Aus Brüssel Eva Oer

Großbritanniens Premierministerin Theresa May bekommt Rückhalt im Fall des vergifteten Ex-Doppelagenten Sergei Skripal: Die EU hat ihren Botschafter aus Moskau zu Beratungen nach Brüssel zurückgerufen. Er werde am Wochenende zu Gesprächen mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini erwartet, teilte der Auswärtige Dienst am Freitag mit.

Seit Oktober 2017 leitet der gebürtige Münchner Markus Ederer die EU-Vertretung in der russischen Hauptstadt. Am Donnerstagabend hatten sich die EU-Mitgliedsländer bereits mit einer scharfen Erklärung hinter Großbritannien gestellt: Es sei „höchst wahrscheinlich“, dass Russland für den Giftanschlag im britischen Salisbury verantwortlich sei. Es gebe keine andere plausible Erklärung. Damit hat sich der Europäische Rat zu einem neuen Ton gegenüber Russland durchgerungen. Noch am Montag hatten die Außenminister der EU-Staaten mit einer eindeutigen Schuldzuweisung gezögert – unter anderem hatte Griechenland auf Zurückhaltung gepocht.

Der ehemalige Doppelagent Sergei Skripal war am 4. März mit seiner Tochter Julia auf einer Parkbank in Salisbury gefunden worden. Bis heute sind Vater und Tochter in kritischem Zustand. Premierministerin May hatte eine knappe Woche später verkündet, dass die beiden nach bisherigen Ermittlungen mit einem Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden seien. Dieses Nervengift wurde in der früheren Sowjetunion entwickelt. Auch ein Polizist war bei den Ermittlungen vergiftet worden, konnte aber am Donnerstag das Krankenhaus verlassen, wie britische Medien meldeten.

Die gemeinsame Erklärung ist ein klarer Erfolg für May. Der Vorfall in Salisbury sei „Teil eines Musters russischer Aggression gegen Europa und seine nahen Nachbarn vom West-Balkan bis zum Nahen Osten“, hatte sie bei ihrer Ankunft beim Gipfeltreffen am Donnerstag erklärt. Russland wirft May nun vor, die anderen EU-Staaten unter Druck zu setzen: „Die Ermittlungen sind noch nicht beendet, aber Großbritannien versucht schon, seine Partner zu konfrontativen Schritten zu zwingen“, sagte der russische Außenminister Sergei Lawrow am Freitag. Jedes Land solle selbst entscheiden dürfen, wie es diplomatisch in Russland vertreten sein wolle, zitierte ihn die staatliche Agentur Tass auf Reisen in Hanoi in Vietnam.

Mehrere EU-Mitgliedsstaaten überlegen nun, ihre nationalen Botschafter aus Russland zurückzurufen oder gar russische Diplomaten auszuweisen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte angekündigt, zusammen mit Frankreich und anderen Mitgliedsstaaten weitere Maßnahmen zu prüfen.

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