: Wenn das Ansehen des Beamtentums leidet
Dienstverstöße von Beamt*innen, ob nun im Dienst oder in der Freizeit, können vielfältige Disziplinarmaßnahmen zur Folge haben. Schlimmstenfalls droht sogar der Entzug der Bezüge, selbst wenn man schon in Rente ist. Das zeigen zwei prominente Beispiele aus der jüngsten Zeit
Von André Zuschlag
Alle Beamt*innen eint ein ganz besonderes Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber. Denn sie haben sich gegenüber ihrem jeweiligen Dienstherrn zur Einhaltung von allerlei Pflichten bereit erklärt. Verstoßen sie dagegen, kann das mit disziplinarrechtlichen Maßnahmen geahndet werden. Die wiederum sind vielfältig und weitreichend: „Grundsätzlich können disziplinarrechtliche Sanktionen von Abmahnungen und Versetzungen bis zum Entzug der Beamtenbezüge führen“, erklärt der Hamburger Arbeitsrechtler Jens Gäbert. Denn ein Fehlverhalten von Beamt*innen – ob nun im Dienst oder außerhalb – ist laut Beamtengesetz in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
So war etwa eine Studienrätin aus dem niedersächsischen Soltau mit ihrer Tochter nach Australien gereist, weil diese am RTL-Dschungelcamp teilgenommen hatte. Die Mutter wollte ihre Tochter bei den Dreharbeiten begleiten. Allerdings war sie in diesem Zeitraum krankgeschrieben. Zuvor hatte sie einen Urlaubsantrag gestellt, der nicht bewilligt wurde. Die Schulbehörde enthob sie daraufhin vorläufig aus dem Dienst, weil sie der Lehrerin vorwarf, ein unrichtiges Gesundheitszeugnis zu gebrauchen.
Vor dem Arbeitsgericht Lüneburg wurde sie dann auch wegen Gebrauchs eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses verurteilt. Das Gericht war der Ansicht, dass sich die Lehrerin im Januar 2016 für mehrere Wochen krankschreiben ließ, obwohl sie tatsächlich nicht arbeitsunfähig erkrankt war. Sie wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 9.600 Euro verurteilt. Darauf legte ihr Anwalt Berufung ein.
Die Landesschulbehörde stellte die Beamtin zunächst vom Unterricht frei, später wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, schließlich folgte die Suspendierung. In einem Eilantrag gab dann das Verwaltungsgericht Lüneburg der Lehrerin zunächst Recht, so dass sie vorerst weiter im Schuldienst arbeiten durfte. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen kassierte dann allerdings die vorherige Entscheidung wieder: Es sei überwiegend wahrscheinlich, dass das angelaufene Disziplinarklageverfahren mit der Entlassung der Lehrerin aus dem Beamtenverhältnis ende. Nach Ansicht des OVG sei das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Integrität der Frau zerstört.
Das Bundesbeamtenrecht fordert von allen Beamt*innen, dass ihr Verhalten, innerhalb wie außerhalb des Dienstes, der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die der Staatsdienst erfordert. Üblich ist, dass straffällige Beamt*innen neben einem Strafverfahren in der Regel auch mit einem Disziplinarverfahren zu rechnen haben. Das verstößt auch nicht gegen das ansonsten geltende Verbot der Doppelbestrafung. „Einerseits besteht hier der Strafanspruch des Staates, andererseits der disziplinarische Anspruch des Dienstherrn“, sagt Anwalt Gäber. Disziplinarrecht und Strafrecht haben also ganz unterschiedliche Intentionen.
Eines Dienstvergehens können sich Beamt*innen jedoch nicht nur während der Arbeitszeit schuldig machen. Die Ansprüche des Arbeitgebers reichen in diesem Falle – anders als in den meisten privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnissen – deutlich darüber hinaus. So ist es auch im Kirchenrecht, wie der Fall des ehemaligen Bremer Pastors Friedrich Bode veranschaulicht. Bode, früher Gründungsmitglied der Bremer Grünen, trat kürzlich auf einer NPD-Veranstaltung mit Neonazi-Größen wie dem Thüringer Holger Heise auf. 18 Jahre lang war Bode Gemeindepastor in Bremen-Horn, ehe er im Zuge eines Disziplinarverfahrens aus dem Dienst ausschied. Schon in den letzten Jahren war er wegen antisemitischer, verschwörungstheoretischer und zumindest deutschnationaler Ansichten in der Öffentlichkeit aufgefallen.
Aus Sicht des Hannoveraner Kirchenrechtlers Joachim Arndt dürften auf Bode deshalb arbeitsrechtliche Konsequenzen zukommen: „Hier drängt sich in der Tat der Vorwurf einer Amtspflichtverletzung auf.“ Denn er habe sich, wenn auch nur im Rahmen seines außerdienstlichen Verhaltens als Pastor in Rente, für die NPD durch seine Teilnahme und seinen Redebeitrag fördernd eingesetzt. Aber er gilt rechtlich immer noch als Repräsentant seiner bremischen Landeskirche.
Arbeitsrechtliche Sanktionen dürften für den Pastor folgen, da das Grundgesetz den Kirchen in Deutschland erlaubt, ein eigenes Arbeitsrecht führen zu dürfen. Danach ordnet und verwaltet jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der allgemein gültigen Gesetze. Dabei unterscheiden sich die Sanktionen nicht sonderlich von denen im öffentlichen Dienst. „Das Disziplinarrecht ist nah am Staatsdienstgesetz“, sagt Arndt.
Da also die NPD vom Verfassungsgericht zwar nicht verboten, aber als verfassungsfeindlich eingestuft wurde, stehe dies, so Arndt, im Widerspruch zum Evangelischen Kirchenrecht. Denn betont wird, dass Disziplinarmaßnahmen dazu beitragen sollen, das Ansehen der Kirche und das Vertrauen in das Handeln der in der Kirche mitarbeitenden Menschen zu sichern. Dabei gilt dies nicht nur für gegenwärtig Angestellte, also etwa Pfarrer*innen und Kirchenbeamt*innen, sondern auch für Personen, die in der Vergangenheit in einem kirchlichen Dienstverhältnis standen.
Das Kirchenrecht der evangelischen Kirche in Deutschland sieht insgesamt neun Disziplinarmaßnahmen vor, von einem Verweis über die Kürzung der Bezüge bis hin zu einer Entfernung aus dem kirchlichen Dienst. Zwar hat jede der 22 evangelischen Landeskirchen eigene Gesetze, allerdings gilt hier bundesweit das Pfarrdienstgesetz.
Die Bremische Evangelische Kirche (BEV) lud Bode, der bereits seit 1991 im Ruhestand ist, zu einem Dienstgespräch. Zur Debatte stand zunächst ein Disziplinarverfahren. Das könnte mit einer Kürzung seiner Ruhestandsbezüge enden. Bisher gibt es allerdings noch keine Entscheidung seitens der Bremischen Kirche. „Bei der Auswahl der Sanktion wird sicher einerseits eine Rolle spielen, was Bode beim NPD-Auftritt inhaltlich verbreitet hat“, sagt Arndt. Andererseits könne es Bode strafmildernd zugutekommen, wenn er zusichere, künftig auf NPD-Veranstaltungen nicht mehr auftreten zu wollen.
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