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Sozial­stunden für Messeropfer

Auflage für Antifa, Identitäre unbehelligt

Von Andreas Speit

Das Verfahren gegen Luca Leon M. wegen gefährlicher Körperverletzung ist eingestellt. Am vergangenen Donnerstag endete vor dem Amtsgericht Lübeck der Prozess gegen den 19-Jährigen aus der Antifa-Szene. 40 Arbeitsstunden muss er im Gegenzug leisten.

Die Staatsanwaltschaft hatte M. vorgeworfen, er habe am 19. Februar vergangenen Jahres auf Volker Z. mit einem Teleskopschlagstock eingeschlagen. Am Hauptbahnhof war M. mit einer Frau in der Nacht gegen kurz vor eins zufällig auf Z. getroffen, den Sebastian P. und Sebastian L. begleiteten. Im Saal C 4 war unstrittig, dass M. mit den drei Anhängern der Identitären Bewegung zuerst in einen verbalen Streit geraten war, der dann in eine körperliche Auseinandersetzung überging.

Ein Video, das ein Taxifahrer mit dem Handy aufgenommen hatte, dokumentiert die Eskalation. In der Verhandlung ließ die Richterin den kurzen Film vorführen. Darin ist zu hören dass die Frau mehrfach laut rief: „Er hat ein Messer.“ Damit war Z. gemeint. Bei der Auseinandersetzung wurde M. auch mit einem Messer an Hals und Schulter so verletzt, dass er im Krankenhaus genäht und stationär behandelt werden musste. Mit ein Grund, warum die Richterin Z. mehrfach darauf hinwies, er könne sich selbst belasten, wenn er aussage.

Schon im vergangen Jahr hatte die Staatsanwaltschaft allerdings die Ermittlungen gegen die Identitären wegen des Messerangriffs eingestellt. „In der Gesamtbetrachtung schätzte die Staatsanwaltschaft ein, dass aus Notwehr ein Messer eingesetzt wurde“, sagt Britta Eder, Anwältin des Beschuldigten.

Dieser Bewertung folgte die Richterin nicht. Das könne man so, aber auch anders sehen, sagte sie zu Z. vor Beginn seiner Aussage. Dann überraschte sie den Kader mit Fragen zu seiner Gruppe. Sie wollte wissen: Wer sind die Identiären? Was sind ihre Positionen? Als der 25-Jährige erklärte, dass sie sich für die „deutsche Identität“ und gegen eine „Islamisierung“ einsetzten, fasste die Richterin nach. „Haben sie mal ihre DNA untersuchen lassen? Sollten Sie mal machen, da werden Sie überrascht sein“, erwiderte sie.

Vor Gericht erweckte Z. selbst nicht den Eindruck, aus Notwehr gehandelt zu haben. Er räumte ein, ein Messer gezogen zu haben, als M. auf ihn los gegangen sei. Nachdem dieser ihn geschlagen habe, habe er ihn seinerseits angegriffen. Das Messer will er dabei aber nicht eingesetzt haben. Im Saal C 4 blieb unklar, welcher der den beiden Sebastians auf M. eingestochen hatte.

Das „Zentrum für Betroffene rechter Angriffe e. V.“ (Zebra) hatte M. im Prozess begleitet. „Die Auseinandersetzung zeigt, dass die Anhänger der Identitären Bewegung trotz ihres vermeintlich intellektuellen Habitus gewaltbereite Rechtsextreme sind“, sagte Lars-Arne Raffel von Zebra.

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