An der Spitze

Stelldichein der Megagalerien auf der Art Basel Hong Kong

Ein riesiges Seidenge­spinst wölbt und wellt sich sanft und zum Vergnügen aller Selfiekünstler über ein Podest. Es handelt sich um eine der Monumentalarbeiten, die die Messehalle der Art Basel Hong Kong ­strukturieren. Gestaltet hat sie der ­Japaner Shinji Ohmaki, und sie ist geeignet, einen meditativen Moment auszulösen. Mit viel Glück. Denn fast 250 Aussteller und ein Strom von Besuchern halten die Sinne auf Trab. Schön, das ist auf jeder Spitzenmesse so, doch die sechste Ausgabe des asia­tischen Ablegers der Basler Muttermesse zeigt, wie rasch sich dieser Hotspot entwickelt hat. Ursprünglich sollten dezidiert Gusto und ästhetische wie kulturelle Belange des asiatischen Markts bedient werden. Doch es fiel den europäischen und amerikanischen Galerien leicht, sich entsprechend zu orientieren und die Messe in Hongkong zu kapern.

Dem Qualitätsspektrum hat das sehr gutgetan, und schon längst reisen Besucher aus aller Welt an. Sie erfreuen sich nun an Jeff Koons’ überdimensionalem Christbaumvogel aus poliertem Stahl mit Blumengefieder, sie begegnen den neuesten Werken der ihnen vertrauten chinesischen und koreanischen Künstler, sie versuchen zu verstehen, weshalb Picasso nach westlichem Verständnis offenbar zur zeitgenössischen Kunst zählt, und sie begeistern sich für ­Kusamas Keramikkürbisse. Sie grübeln über die von der BMW-Art-Journey-Preisträgerin Ashta Buteil bildhaft zusammengefassten, komplexen Erkenntnisse zu uralten mündlichen Überlieferungen, weit schneller verlieben sie sich freilich in Anish Kapoors spiegelnd gewölbte Tondi. Und sie – das wohl eleganteste und wissbegierigste Publikum aller Art-Basel-Messen – kaufen. Sie entscheiden rasch und haben inzwischen auch das mit der – nach asiatischem Verständnis stark überhasteten – westlichen Zahlungsmoral verstanden.

Kein Wunder, dass ein so aufnahmebereiter Markt ­ (Hongkong hat als Sonderverwaltungszone recht komfortable Bestimmungen und Gesetze) die großen Galerien wie Zwirner, Hauser & Wirth, Pace etc. zu Repräsentanzen inspiriert; rechtzeitig zu Beginn der Messe haben sie sich im H Queen’s, einem neuen gläsernen Galerienturm, eingemietet. Poly Auction, Chinas größtes, staatlich finanziertes Auktionshaus veranstaltet zeitgleich eine Sonderauktion mit chinesischem Kunsthandwerk und Kalligrafien – und einer Fünfziger-Jahre-Abstraktion von Zao Wou-Ki, die 16 Mil­lio­nen US-Dollar brachte.

Asien steht im Ranking einschlägiger Untersuchungen (die sich freilich mehr auf Auktionsergebnisse als die Zahlen des Kunsthandels stützen) wieder auf dem weltweit zweiten Platz nach den USA. Aber das sind auch nur Zahlen, mehr nicht.

Annegret Erhard