berliner szenen: Das ist irrelevant für Sie
Mit einer Hand nimmt die Sprechstundenhilfe meine AOK-Karte entgegen, mit der anderen tippt sie WhatsApp-Nachrichten. Das Klacken ihrer langen Fingernägel auf dem Glasdisplay lässt mich an das Geräusch von Kreide auf einer Tafel denken. Dabei tun meine Zähne weh. Gut, dass ich beim Zahnarzt bin.
Die Praxis war eine Empfehlung. Die Graffiti vor der Tür fand ich schon immer sympathisch. Außerdem ist mir der Weg zu meinem alten Zahnarzt in Prenzlauer Berg zu weit. Im Wartezimmer gibt es Fachzeitschriften für ZahnärztInnen mit Fotos wie denen, die auf Zigarettenpackungen sind, Werbekataloge auf Türkisch und irgendwas mit Gartengeräten. An der Wand hängt eine Art Magritte, aber mit regnenden Backenzähnen. Durch das Fenster sieht man kiffende Jugendliche in der Wintersonne. Das Klo erinnert mich an die schlimmsten Kneipentoiletten. Trotzdem finde ich es charmant: Ich vergesse kurz, dass ich in Berlin bin, und fühle mich wie in Buenos Aires. In meiner Heimatstadt sind Arztpraxen oft ziemlich prekär.
Darüber denke ich nach, während die Hände des Zahnarztes und seiner Assistentin in meinem weit geöffneten Mund saugen, bohren, polieren, spritzen. Wurzelkanalbehandlung. Die beiden sprechen nicht miteinander. Der Zahnarzt weist mit den Augen in eine Richtung, die Augen seiner Helferin bewegen sich verzweifelt. Dann holt er selbst den Brenner. Ich versuche, sie anzulächeln.
Am Ende frage ich, was das mit dem Feuer war. „Das ist irrelevant für Sie“, sagt der Zahnarzt und verschwindet. „Nichts, was mit meinem Mund zu tun hat, ist irrelevant!“, will ich erwidern. Aber reden tut weh.
Plötzlich vermisse ich meinen alten Zahnarzt. Auch wenn er im Hintergrund immer Céline Dion spielte. Oder vielleicht genau deswegen. Luciana Ferrando
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